Gesellschaft
   8 Jahre
Foto: DJI

Drei Viertel haben Angst vor Ablehnung

Lesbisch, schwul, bisexuell oder trans* zu sein, ist gesellschaftlich immer noch nicht überall selbstverständlich. LSBT-Jugendliche und junge Erwachsene machen in verschiedenen Kontexten diskriminierende Erfahrungen, sei es in der Schule oder am Ausbildungsplatz, in der Familie oder der Öffentlichkeit. Viele von ihnen erleben den Prozess ihres Coming-outs als ambivalente und teils komplizierte Zeit. Dank eines Forschungsprojekts des Deutschen Jugendinstituts (DJI) liegen erstmals bundesweite Erkenntnisse über die Coming-out-Verläufe und Diskriminierungserfahrungen von LSBT-Jugendlichen vor. Hierfür haben über 5.000 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 14 bis 27 Jahren von ihren Erfahrungen berichtet. Erste Ergebnisse des vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) geförderten Projekts sind nun in einer Broschüre zusammengefasst.

Ein zentrales Ergebnis der Studie ist, dass das innere Coming-out, also der Prozess der Bewusstwerdung und die Auseinandersetzung mit der eigenen sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität, häufig Jahre dauert und oft als belastend erlebt wird. Viele LSBT-Jugendliche versuchen aus Sorge vor negativen Reaktionen ihrer Eltern und Geschwister, im Freundeskreis, in der Schule oder in der Ausbildung über einen längeren Zeitraum ihre „wahren Gefühle“ zu unterdrücken bzw. zu verheimlichen. Drei Viertel der Jugendlichen befürchten von Freunden und Freundinnen abgelehnt zu werden, sieben von zehn haben Angst vor Ablehnung durch Familienmitglieder. Knapp zwei Drittel der Jugendlichen haben Sorge, dass ein Coming-out zu Problemen im Bildungs- und Arbeitsbereich führt.

Während der Zeit der inneren Auseinandersetzung mit dem eigenen sexuellen oder geschlechtlichen Empfinden können LSBT-Jugendliche oft mit niemanden über ihre Empfindungen sprechen und ziehen sich teilweise aus sozialen Kontexten zurück. Vielfach erfolgt das häufig strategisch geplante äußere Coming-out deshalb erst nach Jahren. Die Mehrheit der Jugendlichen vertraut sich zuerst einer Person im Freundeskreis an – wo sie meist positive Erfahrungen machen. Die Reaktionen der Eltern und in der Schule sind zumeist weniger positiv. Dabei ist zu betonen, dass dies Lebensbereiche sind, auf die Jugendliche in hohem Maße angewiesen sind und aus denen sie sich nicht bzw. nur schwer zurückziehen können. Insgesamt geben acht von zehn LSBT-Jugendlichen und jungen Erwachsenen an, dass sie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität bereits Diskriminierung erlebt haben.

Einem großen Teil der Jugendlichen gelingt es, negative Erfahrungen konstruktiv zu verarbeiten, wobei vor allem ihre eigene Handlungsfähigkeit und der Rückhalt durch Freundinnen und Freunde wichtig sind. Als weitere Unterstützung, gerade auch für Jugendliche im ländlichen Raum, kommt dem Internet eine entscheidende Rolle zu. Hier können sich LSBT-Jugendliche informieren und sich einen Überblick über Beratungs- und Freizeitangebote verschaffen. Gleichzeitig macht die Studie deutlich, dass es dauerhaft notwendig ist, die Vielfalt der sexuellen und geschlechtlichen Zugehörigkeiten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen beispielsweise in der Schule, dem Sport, in der Ausbildung oder den Medien sowie im medizinischen Bereich sichtbarer zu machen und stärker mit positiv besetzten Rollenvorbildern zu verorten.

Die Studie beruht auf einer Onlinebefragung, an der über 5.000 LSBT-Jugendliche teilgenommen haben. Darüber hinaus fanden 40 qualitative Interviews statt, in der LSBT-Jugendliche und junge Erwachsene ausführlich von ihrer Lebenssituation berichten. Differenziertere Ergebnisse werden in einer Buchpublikation 2016 veröffentlicht.

Das könnte dich auch interessieren
 
Schön, dass Du hier bist
Bitte melde Dich an, um diese Funktion nutzen zu können!

Passwort vergessen?

Noch kein Mitglied? Registrieren

Anmelden