Gesellschaft
   14 Jahre

Fußball ist alles – auch schwul

Fußballspieler gelten als rau, laut und sportlich-aggressiv. Deutsche Profis schmücken sich nicht selten mit überdurchschnittlich hübschen Frauen, die von der VIP-Tribüne winken. Sie gelten als echte Kerle. Schwulsein passt in dieser Macho-Domäne nicht ins Konzept. Rein rechnerisch jedoch kickt in jeder Bundesligamannschaft mindestens ein Schwuler. Auf ein Outing wartet die schwul-lesbische Szene bislang aber vergebens. Zu groß scheint die Angst vor negativen Reaktionen und Anfeindungen zu sein.

Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) Theo Zwanziger hat nun der Homophobie im Fußball den Kampf angesagt. Als erster DFB-Chef setzt er sich seit seinem Amtsantritt im Jahr 2004 (damals noch als Teil der Doppelspitze neben Gerhard Mayer-Vorfelder) verstärkt gegen Ausgrenzung und Intoleranz ein. Im Januar diesen Jahres gestand Zwanziger vor dem Völklinger Kreis, dem Berufsverband für schwule Führungskräfte, Versäumnisse in der bisherigen Arbeit des DFB ein: "Homophobie im Fußball war - zugegebenermaßen - lange Zeit ein Thema, mit dem sich unzureichend beschäftigt wurde." Weiter sicherte er zu, Fußballprofis beim Coming-Out zu unterstützen und ein Umfeld zu schaffen, in dem kein Spieler und kein Fan Angst vor Diskriminierung haben muss.

Der DFB-Chef setzt sich intensiv für Schwule und Lesben ein

Zwanzigers Bemühungen ist auch zu verdanken, dass der DFB eng mit den QFF (Queer Football Fanclubs) zusammenarbeitet und gemeinsam mit vielen Vereinen, Initiativen und politischen Parteien die sogenannte "Erklärung gegen Diskriminierung im Fußball" unterschrieben hat. Bereits 2001 gründeten schwule und lesbische Fußballfans in Berlin den ersten Fanclub für Homosexuelle und zeigen seitdem regenbogenfarbene Präsenz im Stadion. Es dauerte nicht lange bis Anhänger anderer Vereine es ihnen gleichtaten. Heute gehört zu fast jedem Profi-Club auch eine schwul-lesbische Fanbasis. Die Queer Football Fanclubs sind ein Zusammenschluss von nunmehr 19 Clubs aus Deutschland, Spanien und der Schweiz. Tendenz steigend. Eins der neusten Mitglieder der QFF sind die RainbowZebras.

Wieso brauchen wir schwul-lesbische Fanclubs?

"Unser Ziel ist Akzeptanz. Nicht nur von Seite der Fans, sondern auch von Vereinsseite. Deshalb bleiben wir solange hartnäckig bis auch der MSV Duisburg die Antidiskriminierungserklärung unterschrieben hat. Bisher ist dies trotz unserer Bemühungen leider nicht geschehen.", erklärt Chris Schulze (29) im EXIT-Interview. Gemeinsam mit Tobias und Moni aus Duisburg gründete er im Sommer 2009 die RainbowZebras, den schwul-lesbischen Fanclub des MSV. Den meisten Fans ist Chris jedoch in einer anderen Rolle bekannt. Sein Gesicht flimmert vor jedem Heimspiel der Zebras über die Stadionbildschirme. Mit blau-weißem Trikot und Siegerlächeln ausgestattet animiert Chris als MSV-Stadionsprecher die Fans und schafft mit Verkündung der Mannschaftsaufstellung und Zebralied die typische Fußballatmosphäre.

Für seine Mannschaft gibt er alles. Wird Nicky Adler gefoult, schreit er am lautesten. Chris ist Fußball-Fan durch und durch. Dass der beliebte, smarte Moderator schwul ist, wissen die meisten Fans nicht. Momentan treten die RainbowZebras im Gegensatz zu anderen Fanclubs eher unauffällig auf. Bis auch in der MSV-Arena die Regenbogenfahne geschwungen wird, wollen Chris und die anderen noch die komplette Rückendeckung des Vereins abwarten. "Andere Fanclubs sind schon weiter als wir", weiß Tobias Schneider (27, erster Vorsitzender der RainbowZebras), "In München hängt beispielsweise ein Transparent gegen Homophobie im Stadion. In Mainz gab es sogar eine ganze Aktionswoche zu diesem Thema." In Duisburg ist eine solche Kampagne leider noch nicht vorstellbar.

Gegenüber der EXIT wird vom Pressesprecher zwar bekannt gegeben, dass der MSV hinter seinen schwulen und lesbischen Fans steht und dass sich der Verein verstärkt für Toleranz einsetzten wird, nach Ansicht der RainbowZebras ist die Mentalität in den Fanblocks aber zu intolerant, als dass man sich als Homosexueller offen zeigen könnte. Gerade im Ruhrgebiet hört man schwulenfeindliche Gesänge wie "Schiri, du Schwuchte" oder "Ihr seid alle homosexuell" dann und wann von den angeheizten Fanmassen.

Schwulenfeindliche Gesänge im Stadion schüchtern ein

Umso wichtiger ist es für fußballverrückte Schwule und Lesben, sich der offiziellen Unterstützung des DFB und der Vereine sicher zu sein. Negativ fallen Äußerungen wie die von Ex-Schalke Manager Rudi Assauer auf, dessen Meinung nach Schwule keine Fußballer sein dürfen und sich einen anderen Job suchen sollten. "Diejenigen, die sich outen, werden plattgemacht - von ihren Mitspielern und von den Leuten im Stadion", sagte er dem Kölner "Express". Diese Kapitulation gegenüber der bestehenden Homophobie im Fußball seitens eines Medienmannes wie Assauer ist auch für die RainbowZebras völlig unverständlich. "Natürlich gibt es schwule Fußballprofis. In Deutschland gibt es sogar spezielle Agenturen, die ihnen Fake-Partnerinnen vermitteln und sie so vor Spekulationen der Presse schützen. Es ist unwahrscheinlich, dass sich in nächster Zeit ein Spieler outen wird. Dafür besteht noch nicht das richtige Umfeld in der Welt des Fußballs. Vorstellbar ist, dass sich irgendwann mehrere Spieler gleichzeitig outen. Vielleicht gemeinsam mit Stadionsprechern oder Physiotherapeuten der Mannschaft", so die RainbowZebras.

Schwule und lesbische Fans gehen in die Offensive

In der nächsten Saison werden die RainbowZebras eine Anzeige in der Stadionzeitung schalten, um so einen ersten vorsichtigen Schritt in die Öffentlichkeit zu machen. Langfristig streben sie eine eindeutige Sichtbarkeit mit eigenen Schals, T-Shirts und Transparenten an, was bei anderen Clubs der QFF schon Gang und Gebe ist. Bei Auswärtsspielen treffen sich regelmäßig die schwul-lesbischen Fans und tauschen sich aus. "Für neunzig Minuten kennen wir uns nicht", erzählt Chris über die anderen Fanclubs, "während des Spiels stehen wir ja in verschiedenen Kurven und feuern unsere Mannschaft an. Danach gehen wir aber fast immer gemeinsam feiern. Durch die QFF sind wir alle sehr gut vernetzt. Wir Duisburger können von den Erfahrungen anderer Fans profitieren."

Ziel der Queer Football Fanclubs und des DFB ist es, Werte wir Toleranz, Respekt und Fairness nicht nur zu betonen, sondern auch zu leben. Und dafür gibt es kaum ein besseres Feld als den Fußball.

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