Gesellschaft
   11 Jahre
Fotos: CDU/ Dominik Butzmann, SPD/ Susie Knoll

Parteien zur Wahl

Was wollen die Parteien nach der Wahl für Schwule, Lesben und Transgender durchsetzen? inqueery gibt euch hier einen Überblick.

Die Zeiten, als Schwule und Lesben ihre Wahlentscheidung vor allem von der Gleichstellung abhängig gemacht haben, sind zwar vorbei, aber ein bisschen spielt es immer noch eine Rolle, wie die Parteien zur Eheöffnung oder zum Adoptionsrecht stehen. Auch im Wahlkampf kommt das Thema gelegentlich am Rande vor. Deshalb geben wir euch heute einen Überblick über die Aussagen der Parteien zur Bundestagswahl am 22. September.

CDU/CSU
Die Unionsparteien versuchen sich als die einzige große Volkspartei darzustellen, die für alle da ist. Deshalb gibt es im so genannten „Regierungsprogramm“ auch keine negativen Aussagen über Schwule und Lesben wie in früheren Jahren. Heute heißt es: „Wir bekennen uns zum Verfassungsgebot der besonderen Förderung von Ehe und Familie. Die Diskriminierung anderer Formen der Partnerschaft, auch gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften, lehnen wir ab. Wir wissen, dass auch in solchen Beziehungen Werte gelebt werden, die grundlegend für unsere Gesellschaft sind.“ Durch die Diskussion auf dem Parteitag im Dezember hat die Parteiführung erkannt, dass man auch Anhänger in der Community hat und will diese nicht vor den Kopf stoßen. Dort allerdings, wo die Kandidaten direkt gefragt werden, haben sie mittlerweile Farbe bekennen müssen. So hat Kanzlerin Merkel in der Wahlarena der ARD und im Kanzlercheck der ARD-Jugendradios angekündigt, keine Gleichstellung im Adoptionsrecht anzustreben. Wenn das Bundesverfassungsgericht anders entscheide, werde man dies natürlich umsetzen. Fortschritte sind also von CDU und CSU nicht zu erwarten, und auch jeder mögliche Koalitionspartner dürfte sich weiterhin schwer damit tun, hier etwas zu erreichen.

SPD
Im Gegensatz zu Merkel hat SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück die „sexuelle Orientierung“ bereits in seinem Eingangsstatement beim Kanzlerduell erwähnt. Auch das so genannte „Regierungsprogramm“ der SPD äußert sich deutlicher: „Wir gehen entschieden vor gegen Homophobie und tragen zur Akzeptanz von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen bei.“ Außerdem will die Partei „die Gleichheitsrechte im Grundgesetz Art. 3 um die sexuelle Identität ergänzen“. Vor allem aber wird klipp und klar die Eheöffnung angesprochen: „Die Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften allein mittels Gerichtsurteilen ist für uns keine politische Option. Wir wollen die Ehe für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften öffnen und diese damit auch im Adoptionsrecht gleichstellen.“ Schließlich gibt es auch eine Aussage zu trans- und intersexuellen Menschen: „Nicht jeder Mensch fühlt sich dem Geschlecht zugehörig, das bei der Geburt festgestellt wurde. Und nicht jeder Mensch wird eindeutig weiblich oder männlich geboren. Im Bewusstsein dieser Realität setzen wir uns für die Achtung der Menschenwürde, der geschlechtlichen Selbstbestimmung und des Rechts auf körperliche Unversehrtheit trans- und intergeschlechtlicher Menschen ein.“

FDP
Auch die Liberalen sind für die Eheöffnung: „Für Liberale sind alle Lebensgemeinschaften gleich wertvoll, in denen Menschen Verantwortung füreinander übernehmen. Alle Paare sollen die Ehe eingehen können. Bis dahin gilt: Wer gleiche Pflichten hat, verdient auch gleiche Rechte. Eingetragene Lebenspartnerschaften müssen mit der Ehe gleichgestellt werden – vor allem noch bei der Riester-Rente und bei Adoptionen.“ Aus diesen Worten im so genannten „Bürgerprogramm“ kann man bereits herauslesen, dass die FDP nur wenige Hoffnungen hat, die Eheöffnung mit dem Wunschpartner CDU/CSU verwirklichen zu können, so dass erstmal weitere Einzelschritte auf dem Weg zur Gleichstellung unternommen werden sollen. Über die Ehe hinaus will die FDP ein neues Rechtsinstitut schaffen, nämlich die „Verantwortungsgemeinschaft“. Dabei sollen zwei oder mehrere Personen Begünstigungen erhalten, wenn sie Unterhaltspflichten wie Ehegatten übernehmen. Dies könnte auch Schwulen und Lesben entgegen kommen, die die Ehe für zu spießig halten, außerdem ist es für Dreiecksbeziehungen interessant. Ein weiteres Thema der Liberalen ist die familien- und erbrechtliche Situation bei Samenspenden, die den Gegebenheiten moderner Reproduktionsmedizin angepasst werden sollen.

Bündnis 90/Die Grünen
Das ausführlichste „Wahlprogramm“ haben die Grünen vorgelegt, es ist über 300 Seiten stark und enthält viele Details. Dazu gehören ein bundesweiter „Aktionsplan für Vielfalt“, „der Homophobie und Transphobie entgegensteuert, der Forschung u.a. zu Diskriminierungen sowie queeren Lebensweisen fördert, insbesondere Jugendliche stärkt und deren Ausgrenzung im Elternhaus, in der Schule und in der Freizeit entgegenwirkt. Im Besonderen brauchen wir für Menschen aller Altersklassen und vor allem Jugendliche einen Ausbau der Coming-out-Beratung. Im Unterricht sollen alle Lebensweisen und sexuellen Identitäten gleichberechtigt dargestellt werden.“ In Artikel 3 des Grundgesetzes soll ergänzt werden, dass niemand wegen der sexuellen Identität diskriminiert werden darf. Die Ehe soll für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet und das gemeinschaftliche Adoptionsrecht ermöglicht werden. Weitere Themen der Grünen sind die Gleichstellung der Regenbogenfamilien, die Reform des Transsexuellenrechts, die Beendigung der zwangsweisen Geschlechtsanpassung intersexueller Menschen und die Rehabilitierung der Opfer von §175. Schließlich setzt sich die Partei für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender und Intersexuelle in anderen Staaten ein und will dazu die Hirschfeld-Eddy-Stiftung finanziell unterstützen.

Die Linke
Während Die Linke bei anderen politischen Themen gelegentlich den Ruf hat, utopische Dinge zu fordern, sind einige Forderungen im Bereich der Vielfalt der Lebensweisen ganz nahe bei anderen Parteien. Auch die Linken sagen klar „Auch Schwule und Lesben sollen heiraten können“ und meinen damit die Öffnung der Ehe. Darüber hinaus aber hat die Partei der Privilegierung der Ehe im Grundgesetz den Kampf angesagt: „Wir wollen nicht, dass überkommene und real diskriminierende Privilegien der Ehe beibehalten oder ausgeweitet werden.“ Alle Familienformen und Lebensweisen sollen gleichgestellt werden. Damit sind dann auch das Adoptionsrecht für eingetragene Lebenspartner oder die Gleichstellung lesbischer Frauen bei der Reproduktionsmedizin eingeschlossen. Der Schutz vor Diskriminierungen auf Grund der Identität, sexuellen Orientierung und Lebensweise soll in Artikel 3 Grundgesetz aufgenommen werden. „Die Unrechtsurteile der in der BRD und DDR verfolgten Homosexuellen“ sollen aufgehoben und die Betroffenen entschädigt werden. Das Transsexuellengesetz soll aufgehoben werden. Schließlich soll „das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz mit einem echten Klagerecht für Verbände verbessert werden“. Insgesamt sind die Forderungen der Linken am radikalsten.

Piraten
Nachdem die Piratenpartei im Jahre 2012 einen Höhenflug hatte, der sie bis in einige Landtage trug, sehen die Umfragen für die Bundestagswahl eher schlecht aus. Dabei hat sich die Partei bemüht, zu möglichst vielen Themen eine Aussage zu machen. Dazu gehört auch das Thema „andere Lebenspartnerschaften“. Dabei setzen sich die Piraten für die vollständige rechtliche Gleichstellung sämtlicher Lebenspartnerschaften ein. Darüber hinaus aber bietet die Partei hier eine völlig neue Lösung an: „Wir Piraten setzen uns dafür ein, dass der Begriff ‚Ehe’ durch die ‚eingetragene Lebenspartnerschaft’ ersetzt wird. Die auf der Ehe basierenden Rechte und Pflichten sind auf die ‚eingetragene Lebenspartnerschaft’ zu übernehmen. Des Weiteren wollen wir für alle Formen der homosexuellen, heterosexuellen und polyamourösen (Liebesbeziehung zu mehr als einem Menschen) Partnerschaften die eingetragene Lebenspartnerschaft öffnen. Damit soll sie über ihren monogamen Anspruch hinaus auch das Zusammenleben von mehr als zwei Personen rechtlich regeln.“

AfD
Die neue euroskeptische Partei „Alternative für Deutschland“ hat in ihrem Wahlprogramm keine Aussagen zu Schwulen und Lesben beschlossen. Dass die Partei noch keinen Standpunkt hat, konnte man auch daraus ersehen, dass sich verschiedene Bundestagskandidaten in den letzten Monaten ganz unterschiedlich geäußert haben. Der Berliner Franz Niggemann, der in der Schwulenhochburg Tempelhof-Schöneberg kandidiert, sammelte auf dem Motzstraßenfest eifrig Unterschriften und freute sich über die Unterstützung aus der Community. Der Berliner Landesverband begrüßte auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur steuerlichen Gleichstellung. Der Parteivorstand warnte dagegen, dass das Urteil nicht zu einer Entwertung der Ehe führen dürfe. Und die rheinland-pfälzische Listenkandidatin Heidrun Jakobs schrieb nach dem Urteil zum Adoptionsrecht in ihrem Blog: „Das Urteil setzt sich über die natürliche Gegebenheit der Geschlechtertrennung hinweg.“

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