Köln
   14 Jahre
Foto: SPD-Landtagsfraktion

Landtagswahl NRW, Teil I: SPD

Die Umfragen sehen sie eher als Underdog im Rennen um das Amt des/r Ministerpräsident/in, aber davon lässt sich die SPD-Landesvorsitzende Hannelore Kraft nicht beirren. Die ehemalige Forschungs- und Wissenschaftsministerin stellte sich den Fragen von Torsten Bless.

Frau Kraft, wie sieht Ihre persönliche Bilanz nach fünf Jahren Schwarz-Gelb speziell in der Homo- und Aids-Politik aus?

In fünf Jahren Schwarz-Gelb wurde die wichtige Akzeptanzkampagne des Landes eingestellt, das heißt Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Homosexualität findet in NRW praktisch nicht mehr statt. Unter Schwarz-Gelb gab es Kürzungen und Stillstand in der Homo- und Aidspolitik. Vor allem im Aidsbereich hat sich das Land fast völlig aus der Verantwortung gezogen. Die schwarz-gelbe Landesregierung hat eine Zergliederung der HIV- und Aidspolitik zu verantworten. Es wird immer wieder deutlich, dass Herr Rüttgers und Herr Laschet den vielen Reden keine Taten folgen lassen. In NRW distanzieren sie sich von der bundespolitischen Linie und versprechen den schwul-lesbischen Organisationen Toleranz und Gleichstellung für das Land. Doch heißt es, im Bundesrat Flagge zu zeigen, kneifen sie. Und wo sie alleine könnten – nämlich beim nordrhein-westfälischen Beamtenrecht –, selbst da kneifen sie. Denn immer noch gibt es hier Ungerechtigkeiten im Besoldungs- und Versorgungsrecht. Was in anderen Bundesländern längst selbstverständlich umgesetzt ist, ist in NRW mit Herrn Rüttgers nicht möglich gewesen. Die Töne sind vielleicht leiser geworden, die Vorurteile scheinen die gleichen geblieben zu sein.

Welche Akzente werden Sie setzen, sollte es zu einer SPD-geführten Regierung kommen?

Die SPD steht für eine Gesellschaft, die toleranter und weltoffener ist und selbstverständlich mit Homosexualität umgeht. Es gibt viele Bereiche, in denen es keine vollständige Gleichstellung gibt. Wir werden uns dafür einsetzen, in den nächsten Jahren dort weiter zu kommen, auch über Initiativen im Bundesrat. Eine wichtige Baustelle ist das Adoptionsrecht. Entscheidend muss sein, dass Kinder behütet aufwachsen können und liebevolle Erziehung erfahren. Es gibt keinen Grund, warum Lesben und Schwule das nicht leisten könnten. Ich habe ein homosexuelles Paar in meiner Familie, und ich könnte mir zum Beispiel bei ihnen eine Adoption sehr gut vorstellen.

Ist denn angesichts knapper Finanzen eine angemessene Förderung von Schwulen- und Lesbenprojekten wie Aids-Organisationen überhaupt möglich?

Wir werden uns um eine angemessene Finanzierung bemühen. Um genaues sagen zu können, muss man aber erstmal die Haushaltssituation abwarten. Ich gehöre nicht zu den Politikern, die Versprechungen machen, die man hinterher nicht halten kann.

Homophobie unter Jugendlichen ist nach wie vor sehr verbreitet. Um dem entgegen zu wirken, werden Sie die Aufklärung über gleichgeschlechtliche Lebensweisen an den Schulen befördern?

Es ist viel erreicht worden, die Akzeptanz von Homosexualität ist den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Dennoch gibt es in bestimmten Bevölkerungsgruppen immer noch starke Vorurteile. Daher muss die gesellschaftliche Anerkennung weiter vorangetrieben werden. Wir müssen da viel früher – bereits in der Schule – ansetzen. Noch immer ist „schwul“ das am häufigsten geäußerte Schimpfwort auf den Schulhöfen. Deshalb muss die selbstverständliche und gleichberechtigte Behandlung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften endlich fester Bestandteil in den Lehrplänen aller Schulen und auch in der pädagogischen Aus- und Weiterbildung werden. Mit aktiver Aufklärungs- und Präventionsarbeit an Schulen können wir Mobbing und Ausgrenzung verhindern. Nur so können Jugendliche ohne Ängste zu ihrer eigenen lesbischen oder schwulen Identität finden und diese offen äußern.

Lesben- und Schwulenverbände fordern schon seit langem, die Antidiskriminierungsklausel im Artikel 3 des Grundgesetzes um das Merkmal der sexuellen Orientierung zu erweitern. Würde eine SPD-geführte Landesregierung einen neuen Anlauf im Bundesrat wagen?

Ja, wir würden einen neuen Anlauf machen, in Absprache mit der SPD-Bundestagsfraktion. Nur wenige Monate ist es her, dass der Bundesrat mit schwarz-gelber Mehrheit die Initiative der Länder Berlin, Bremen und Hamburg zur Ergänzung des Antidiskriminierungsartikels des Grundgesetzes um das Merkmal der sexuellen Identität abgelehnt hat. Da hätten die Liberalen zeigen können, dass es ihnen ernst ist mit der Gleichstellung von Lesben und Schwulen, stattdessen blockieren sie den auf Initiative der SPD eingebrachten Vorschlag zur Angleichung des Grundgesetzes an die Lebenswirklichkeit. Das zeigt: Gleichstellung wird es nur mit der SPD geben!

Welche Schritte zur Antidiskriminierung oder Förderung der Akzeptanz von Vielfalt werden Sie im Land einleiten?

Wir werden Lesben und Schwule, Bisexuelle und Transgender und deren Familien wieder politisch sichtbar machen. Wir stehen für ein offenes und tolerantes Klima in unserer Gesellschaft, in der Menschen ihr Leben unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung gestalten. Wir bekämpfen Homophobie und werden auch im Handeln wieder deutlich machen: Menschliches Zusammenleben ist vielfältig.
 

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