Kultur
   10 Jahre
Foto: Incubus Verlag

Aiden ist ein Traumweber

Aiden sitzt am Meer und lauscht der Brandung. Es ist tief in der Nacht, als die Häscher des Ordens ihn holen kommen. Das Schicksal ereilt jeden Magier, da war es nur eine Frage der Zeit, wann jemand aus dem Dorf ihn melden würde. Wie vielen Gefangenen zuvor, stellen sie auch ihm die Frage, die das Blut zum Gefrieren bringt: „Kette oder Schwert?“ Sterben, weil man anders ist? Oder das Joch unter der Regie des Ordens wählen? Aiden entscheidet sich für leben, ohne zu wissen, was für ein Leben ihn nun erwartet.

Ein Traumweber, kein Magier

Als Gefangener wird er in die Unterwelt der Hauptstadt des Reiches verbannt. Dort unten leben die Magier, und die anderen ausgestoßenen Wesen dieser Gesellschaft. Wie jedem Gefangenen wird Aiden ein Ring um den Hals gelegt, der verhindern soll, dass er zaubert. Dabei ist er gar kein Magier. Er ist ein Traumweber. Er webt Träume und tanzt in ihnen und kann so selbst die Realität verändern. Das unterscheidet ihn von allen anderen. Wirklich von allen?

Seine Fähigkeiten werden nicht eingeschränkt, da der Ring nur auf Magie wirkt. Das nutzt Aiden, um sich in der neuen Situation zurechtzufinden. Und er bringt in die stumpfen, grauen Seelen um sich herum immer wieder ein kleines bisschen Hoffnung und verankert es in ihnen. Der Widerstand plant bereits seit langem einen Aufstand, der jedoch unblutig vonstatten gehen soll. Dazu können sie die Fähigkeiten Aidens perfekt gebrauchen.

In den alten und verfallenen Ruinen unter der Stadt lauert etwas Grauenhaftes, das nur auf den jungen Traumweber wartet, aber genau diese Ruinen nehmen einen zentralen Punkt im Plan des Widerstandes ein. So lernt Aiden auch den jungen Magier Kellin kennen. Verwundert stellt er fest, dass ihn dessen außergewöhnlich blaue Augen nicht unberührt lassen. Er kann die Gefühle, die jener in ihm auslöst, überhaupt nicht einordnen. Als er seine Fähigkeiten auch bei ihm nutzen will, blockt Kellin massiv ab und verweigert sich. So ist Aiden erstmals nur auf Worte angewiesen, um ausgerechnet den Mann einzuschätzen, der plötzlich der wichtigste in seinem Leben zu sein scheint.

Packend mit Showdown zwischen magischen Kristallen und Ruinen

Weder blumig noch verspielt beschreibt Vescori die Welt, in der Kellin und Aiden aufeinandertreffen. Eine ganz andere Art der Industrialisierung hat hier stattgefunden. Nach einer großen Katastrophe hat das Land eine ganze Generation gebraucht, um sich zu erholen und nun an einem neuen Scheideweg zu sein. Dabei hat die Unterdrückung und Ghettoisierung der Magier dazu geführt, dass auch die Menschen, denen sie wichtig waren, nichts anderes blieb, als mit ihren Lieben in den Tod oder die Verbannung zu gehen. Hier sind unweigerlich Parallelen zu vergangenen, aber auch gegenwärtigen Geschehnissen überall auf der Welt zu sehen.

Mit „Traumweber“ schreibt Aeryn Vescori weiter an der Erfolgsgeschichte des Incubus Verlags aus Dortmund. Ganz so als wollte er auch seinem Leser einen Traum weben, beschreibt er ohne falsche Scheu den Weg hin zu der jetzt verfahrenen Situation und auch den Weg hinaus. Wissend darum, dass der Weg anstrengend, verletzend oder gar tödlich sein kann, ermutigt er seine jungen Gefährten, doch loszugehen und das Risiko in Kauf zu nehmen. In einer schmeichelnden Erzählweise nimmt er den Leser mit durch die Abenteuer des jungen Aiden. Nie vergisst er den Leser abzuholen oder lässt ihn gar allein.

Dieses Buch zwischendrin wegzulegen fällt extrem schwer und ist ab dem Beginn des Aufstandes nahezu unmöglich. Die dann ans Laufen kommenden Ereignisse überholen sich beinahe gegenseitig, und es bleibt bis zu den letzten Seiten spannend. Auf diesen packt der Autor dann noch eine echte Sensation aus. Ein lohnendes Buch, bei dem man aber damit rechnen muss, dass einige Nächte sehr kurz werden.

Aeryn Vescori, Traumweber, Incubus Verlag, 9,95 €

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