Kultur
   8 Jahre
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Renzension: Im Endkreis von P. Nathschläger

Peter Nathschlägers „Im Endkreis“ ist nicht neu, es ist schon Ende 2014 im Incubus Verlag erschienen. Das macht es aber nicht weniger bemerkenswert. Es ist wohl eher bemerkenswert, wenn man von diesem Buch noch nichts gehört hat. Und das sollte man dann ganz schnell ändern. Denn weder hat der Titel was mit Ringelpietz mit Anfassen zu tun, noch begegnen einem in diesem Buch die üblichen Verdächtigen. Aber dazu später mehr.

Wien, Wien nur Du allein.
Ja es geschieht in Wien, wo der Student Leon, Halbasiate und damit durchaus als leicht exotisch anzusehen, sich durch die Nacht und die Szene laviert. Das Ende der Nacht ist zum Greifen nah und es wird langsam Zeit einen Kerl aufzureißen, wenn er doch noch zum Zuge kommen will. Oder eine bewusste Entscheidung treffen und ohne Kerl nach Hause zu gehen. Auf der Brücke steht ein Schatten am Geländer. Dunkle Kleidung verbirgt einen schlanken sehnigen Körper, lange dunkle Haare das Gesicht. Moment mal, haben da nicht gerade höllisch blaue Augen durch die Haare geblitzt? Und so entschließt sich Leon über die Brücke zu gehen und zu riskieren, dass die Nacht vorbei ist. Aber die fängt jetzt gerade erst an.

Der Schatten ist real und zwar sowas von… ja was eigentlich? Ivo heißt er und ist offensichtlich Russe. Als Sohn eines Japaners und einer Französin kann Leon zu Deutsch auch beide anderen Sprachen, aber die reichen auch nicht, um ein Gespräch zu führen. Aber das, was die beiden sich sagen wollen, das braucht keine Worte. So finden Hände nicht nur Hände, sondern auch Gesicht und Hintern und es kommt, wie es soll. Aber dieses Mal ist es anders. Es hat eine Seite in Leon berührt, die ihm nicht vertraut ist. Bange Momente vergehen nach dem kleinen Tod, wie die Franzosen den Orgasmus ja nennen, in denen sich Leon fragt, ob Ivo sich jetzt auch wieder anzieht und geht, wie das ja so üblich ist. Aber Ivo geht nicht, er bleibt. Er schmiegt sich an. Er ist auch am nächsten Tag noch da. Und auch am nächsten.

Alltag, was ist das?
Fern vom Alltag der Stadt verbringen die beiden Ihre Zeit mit Essen, Schlafen, Spazierengehen. Sie fassen sich an, berühren sich und lassen sich immer tiefer aufeinander ein. Jede Nacht liegt Ivo bei Leon und der genießt es, dass der erst so fremde Mann auch nach Tagen noch da ist. Bis… ja bis er plötzlich allein aufwacht. Erst nach einer genauen und mehrfachen Inspektion der Wohnung glaubt er es, dass der Mann aus Sibirien wirklich gegangen ist. Aber warum jetzt? Wieso ohne Abschied? Plötzlich sieht er einen Zettel, auf dem steht die Adresse eines Hotels. Und er findet ein Lederband mit einem silbernen Anhänger auf dem kyrillische Zeichen stehen, den Ivo getragen hat.
Leon macht sich auf zu dem Hotel und traut seinen Augen nicht. Das Polizeiaufgebot davor ist nicht von schlechten Eltern. Drei Russen wurden umgebracht, ausgeweidet und verkehrt herum mit Bolzen an die Wand genagelt. Mit dem Blut wurden rätselhafte Worte an die Wände geschmiert. Ein vierter Russe ist tatverdächtig und verschwunden. Er hat zusammen mit den dreien eingecheckt, aber wurde seit einigen Tagen nicht mehr gesehen. Ivo? Nein bitte nicht.
Nein, Ivo ist nicht unter den Toten, also ist er der Verdächtige.

Schicksal, nimm Deinen Lauf
Aus ganz anderen Beweggründen taucht der französische Ermittler Nicholas in Wien auf. Auch er hat eine ausgeweidete Leiche mit Bolzen an die Wand genagelt gesehen. Aber in einer verlassenen Ortschaft in Frankreich, in der alten und zerfallenen Kirche. Und diese Leiche addiert sich dort zu dem Rätsel um das Verschwinden von mehreren hundert Leuten in einer Sommernacht vor über vierzig Jahren. Hängen das Verschwinden und die Leiche von heute zusammen? Dann steht das auch im Zusammenhang mit den drei Leichen in Wien? Nicholas hat keinen offiziellen Auftrag aber trifft sich trotzdem mit Leon, um diesen zu befragen und Licht ins Dunkel zu bringen.
Licht bringt es nicht, aber eine Erkenntnis. Ivo muss der Schlüssel zu allem sein, aber der hat das Land wohl Richtung Bulgarien verlassen. Einzige Option: Ivo folgen. Für Leon steht fest, er will mit. Da lässt er sich auch von niemandem abbringen. Der kleine Russe hat offensichtlich sein Herz erobert und er will wissen, was hinter all dem steckt. Und wenn es das letzte ist, was er tut.

Roadmovie, Endzeit-Thriller, Horror, Fantasy-Drama
Die Geschichte hat von allem etwas und kann sich in ihrer Klarheit, Stringenz und Geschwindigkeit mit den großen der jeweiligen Genres messen. Ob da nun die farbigen Flüsse in purpur oder ein Code von Da Vinci als Maßstab herhalten sollen, dieses Buch (Entschuldigung, aber man muss es ja manchmal einfach deutlich beim Namen nennen) stinkt in keiner Weise dagegen ab, sondern hat im Gegenteil ein paar Besonderheiten mehr. Denn ganz plötzlich betrifft die Angelegenheit nicht nur die Verfolger oder Ivo.

Beinahe spielerisch und mit großem Erzählvergnügen bringt Nathschläger immer weitere Aspekte in die Geschichte ein, ohne diese damit krude oder abstrus werden zu lassen. Wünschenswert wäre an manchen Stellen allerdings ein genaueres, ausführlicheres Beschreiben von Situationen oder Vorgängen gewesen, das hätte die Dichte und Schwere der Geschichte mehr gestützt und getragen. Als dann das Ende der Welt plötzlich möglich scheint, ist das nicht nur glaubhaft, sondern die einzig logische Folge. Wer glaubt, nur damit ein solches Buch bei der schwulen Leserschaft bestehen kann muss es ein Happy End haben, der sei gewarnt. Ja natürlich hat das Buch ein Ende, aber das ist eines sicherlich nicht: Happy! Hier gewinnen nicht nur die Guten, geschätzte Protagonisten bleiben auf der Strecke und einige Aspekte auch offen. Damit muss man erst mal klar kommen.
Und mit der Frage: Warum habe ich dieses Buch nicht eher gelesen?

UPDATE:
Jetzt heißt es schnell sein. Der Incubus Verlag schließt zum 31.10.2016, das heißt wer sich für dieses oder andere Bücher aus dem Verlag interessiert, sollte sich bereits jetzt dafür entscheiden. Manchmal bietet es sich ja an auch frühzeitig an Weihnachtsgeschenke zu denken. Und wie cool wäre es etwas zu verschenken, das es so gar nicht mehr zu kaufen gibt? Der Verlag hat übrigens zugesichert, alles, was an Bestellungen bis zum 31.10. eingeht und noch vorrätig ist, wird auch noch geliefert. Hier gilt mal wieder das alte Prinzip: Wenn wech, dann wech!

Peter Nathschläger
Im Endkreis
Incubus Verlag
Taschenbuch 320 Seiten: 11, 95 €
Ebook: 6,99 €

Hier ist es z.B. zu kaufen.

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