Kultur
   10 Jahre
Foto: Salzgeber

Die Liebe ist an eine Bedingung geknüpft

Wer bei dem Titel einen der typischen Coming-Out-Filme erwartet, der sieht sich getäuscht. Hier ist nicht alles bunt, lustig und schrill, aber auch nicht ruhig, zurückgezogen und still. Hier bekommt man Einblicke in das wahre Leben.

Owen lebt mit seiner Zwillingsschwester Kristen in einer Sozialwohnung in Newcastle. Sie kümmern sich neben Schule und Haushalt auch um ihre kranke Mutter. Wie in sozial schwachen Familien durchaus üblich, ist der Ton rau, aber herzlich, und man merkt im Umgang miteinander immer die Verbundenheit, auch wenn man sich zwischendrin mal annervt.

In diese Beinah-Idylle tritt der Finanzberater Liam. In schönster Drücker-Manier klingelt er und möchte einen Kredit verkaufen. In Kristens Augen leuchtet es sofort bei diesem smarten und adretten Kerl, der ebenfalls rau und recht proletenhaft ist. Aber der Teenagertraum sieht ja nur die Anzüge, den Sportwagen und das viele Geld, ein Traum halt. So setzt sich Kristen heftig ein, um den jungen Mann wiederzusehen, und verhandelt über einen Kredit.

Liam hat ebenfalls einen Grund, immer wieder in die Wohnung zu kommen, der lautet aber weder Kredit noch Kristen. Offensichtlich hat es ihm der junge Owen angetan. So kommt es zu einem Date, bei dem beide erst auch ganz kumpelhaft durch die Gegend ziehen. Owen folgt dann der Einladung in Liams Wohnung. Nur so aus Spaß zieht er das Kleid an, das Liam ihm hinhält und die Perücke muss auch noch sein. Ist doch nur Spaß, bis … ja bis es zum Kuss kommt.

Plötzlich steht Owens Welt Kopf. Er steht im Mittelpunkt? Er wird begehrt? Er lässt sich auf Liam ein und probiert sich aus …und trägt Kleid und die Perücke, irgendwann auch außerhalb der vier Wände. Seine Schwester ahnt, dass da was zwischen den Jungs passiert und natürlich kommt es zum Streit zwischen den Geschwistern. Und als Owen dann erkennt, dass Liams bedingungslose Liebe zumindest an eine Bedingung geknüpft ist, nimmt alles seinen Lauf. Trifft Owen eine Entscheidung gegen die Familie? Auf einem Ausflug an die Küste von Redcar spitzen sich die Ereignisse zu, und der Teenager Owen muss nach vielen Umwegen den direkten Weg ins Erwachsensein gehen.

Salzgeber hat hier einen Film auf die Silberscheibe gebannt, der sich mit Fug und Recht Drama nennen darf, aber nicht dramatisch daherkommt. Ohne viel Knall und Bumm hat man sich schnell mit Owen und seiner Familie angefreundet. Und den Aufschneider Liam betrachtet man von Anfang an mit der Skepsis eines liebenden Elternteiles, das sich um den Sohn sorgt, aber ihn machen lässt. Erfahrungen macht man bekanntlich selbst. So erlebt man Owens Weg in diesem Labyrinth mit und fällt von einem „Ich hab’s doch gewusst!“ auch mal schnell in ein „Oh, ist der Schleimer doch nett und ehrlich? Muss ich meine Meinung ändern?“ und anderes.

Dieser Film ist ein wahres Juwel der Filmkunst. Das ist kein Popcornkino, denn dieser Film fesselt, da ist das Popcorn irgendwann nur im Weg. Nichts wirkt gekünstelt oder mal eben schnell billig zusammengezimmert. „Owens erste Liebe“ nimmt einen mit in ein anderes Leben. Ohne voyeuristisch zu sein, kann man hier das erste Aufeinandertreffen von erwachender Liebe beobachten, die mit einem Fetisch oder auch einer Selbstverleugnung konfrontiert wird. Von Anfang bis Ende klar und unverblümt in Sprache und Darstellung lässt er einen nach einem teils überraschenden Schluss tief beeindruckt zurück. Angucken!

Owens erste Liebe (Originaltitel: Unconditional), Regie: Bryn Higgins, mit Harry McEntire, Madelaine Clark, Christian Cooke, Melanie Hill, James Bolam, u.a., englische Originalfassung, deutsche Untertitel, UK 2012, 92 Min., FSK 16

 
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