Kultur
   10 Jahre
Foto: Männerschwarm

Ein Lobgesang auf die Männerliebe

Bibel der Promiskuität – diesen Titel könnte man dem Buch „Das Lied der Sternentaucher“ von Richard Amory durchaus auch geben. Der Roman aus dem Jahr 1966 wurde jetzt in neuer Übersetzung von Joachim Bartholomae im Männerschwarm-Verlag veröffentlicht. Ebenso wie in der vor 2000 Jahren aufgeschriebenen Geschichte schildert Amory den Weg eines jungen weißen Mannes, allerdings in den Zeiten des „Lederstrumpf“ und „Pocahontas“, durch die Niederungen des Körpers und des Geistes zur Erkenntnis.

Der weiße Trapper Ephraim hat von einem alten Indianer in der Stadt von der Gesellschaft der Sternentaucher erfahren. Diese hauptsächlich indianische Gruppe von Männern pflegt die körperliche Liebe zwischen Männern als Dienst an der Schönheit des Männlichen. Und so reist Ephraim über den Fluss durch den amerikanischen Westen, um in diese Gesellschaft aufgenommen zu werden. Einmal aufgenommen, sucht man sich für den Winter einen Gefährten. Kommt jedoch der Frühling, so zieht man los, um viele andere Männer aus der Gesellschaft mit seiner Liebe zu beglücken und sie zu ehren. Gen Winter sucht man sich dann den alten oder auch einen neuen Gefährten.

Ephraim lernt auf seinem Weg viele Männer kennen. Er trifft auf den muskulösen Indianer Singender Reiher, der ihm dabei hilft, seiner Lust und seinem Sehnen nach männlicher Berührung und Verführung nachzugeben. Diese Tage werden jedoch ein wenig getrübt, weil Montgomery, den Ephraim zu lieben glaubte, nun zusammen mit einem Prediger Jagd auf ihn macht. Es gelingt ihm jedoch immer wieder, sich zu verbergen. Bei seiner Weiterreise trifft er auf den weißen Trapper Cyrus. Dieser haarige Muskelmann hat es Ephraim besonders angetan. So besonders, dass er sich das Ziel nimmt, die unterarm große und dicke Männlichkeit dieses Mannes in sich aufnehmen zu können. Und dafür muss ordentlich trainiert werden. Auf dem Weg lernt Ephraim nur von den Besten.

Schlussendlich findet er in einer Höhle bei dem dort lebenden Schamanen in einem Traum seine Erleuchtung. Er sieht auf indianische Art seinen Weg, vergibt Montgomery und erkennt seinen Gefährten. So weit, so gut. Das muss nun nur alles in der Wirklichkeit umgesetzt werden. Den Anfang macht seine Aufnahme in die Gesellschaft der Sternentaucher. Er ist nun einer der Ihren. Und so gestärkt, geschult und bereit, jeden Schwanz, den er möchte, in sich aufzunehmen zu können, reist Ephraim zurück, um nun seinen Weg zu gehen.

Mit einer Riesenportion Pathos beschreibt Amory viele Details der männlichen Körper vor, bei und nach dem Akt der Liebe. Dieses Pathos hat bei der früheren Übersetzung dazu geführt, dass eben keine Übersetzung des Originaltextes erfolgte. Es wurde etwas dazugesetzt oder ein wertender Beisatz des Übersetzers angefügt, der das ursprüngliche Pathos abmilderte. In seinem Nachwort erklärt und veranschaulicht Joachim Bartholomae das par excellence. Amory selbst hat dazu mal in einem Interview gesagt, dass es Zeit wird, dass Bücher wie seines nicht mehr von Heterosexuellen bearbeitet werden, die der Meinung sind, dass schwuler Sex lustig oder dreckig ist. In der Übersetzung von Joachim Batholomae ist nicht nur das Pathos geblieben, sondern es wird ihm auch gehuldigt. Um an dieser Stelle eine beliebte Floskel zu nutzen: Das ist auch gut so.

Amorys Text braucht diese Huldigung, damit er verstanden und angenommen werden kann. Und so bekommt man auf diesen 208 broschierten Seiten für 16,00 € eine Kunstform, die heute nicht mehr so häufig vorkommt. Mit schönen und angenehmen Worten wird immer wieder das Entdecken und Verwöhnen eines männlichen Körpers durch einen anderen Mann aufs höchste besungen und gepreist. Das ist keine platte Erotik und erst recht kein Porno. Das ist tatsächlich der Lobgesang auf den stehenden Schwanz, die feuchten Lippen oder den Knackarsch und das, was die so alles miteinander anfangen können. Dabei wird das Davor oder auch Danach nicht vernachlässigt, sondern findet genau den Platz und Wert, den es braucht.

Aus der Sicht vollständig monogam lebender Menschen ist sicherlich zu bekritteln, dass hier die Promiskuität als der Königsweg der wahren Liebe dargestellt wird, aber das kann man allein aufgrund der wunderbaren Sprache vernachlässigen. Auch der Monogame wird an diesem Buch seine Freude finden. Aus diesem Grund: unbedingte Kaufempfehlung. Und im Hinblick auf die kommenden Weihnachtstage bietet sich hier die Möglichkeit eines sehr ausgefallenen Geschenkes, das man nicht nur anderen, sondern erst recht sich selbst machen kann.

 
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