Kultur
   11 Jahre
Foto: Incubus Verlag

Eine ungewöhnliche Begegnung an der Tür

Der Incubus Verlag aus Dortmund legt mit „Leben im Käfig“ das zweite Buch von Autor Raik Thorstad vor. Auch bei diesem Buch merkt man, dass der Incubus Verlag klar an einem eigenen Profil arbeitet. Nun wird das Genre Jugend-Drama oder besser Psycho-Drama anvisiert. Einfach geht in den Geschichten offensichtlich gar nichts. Aber gerade das macht ihren Reiz aus.

Sascha lebte in Hessen auf dem Dorf und hatte noch ein Jahr bis zum Abitur. Da seine Eltern ihn aber mit einem Jungen knutschend auf dem heimischen Sofa erwischt haben, ging die lange und gut gehütete Bombe hoch und der Familienfrieden war dahin. Also ist Sascha zu Tanja, der Schwester seiner Mutter, und ihrer Familie nach Hamburg gezogen.

Kurz nach dem Einzug lernt Sascha dann Andreas von Winterfeld kennen, den komischen 20-jährigen Nachbarssohn, der die herrschaftliche Villa seiner Eltern schon seit Jahren nicht mehr verlassen hat. Eine ungewöhnliche Begegnung an der Tür und das Interesse der beiden jungen Männer aneinander ist geweckt. Wenn da nur nicht Andreas’ Krankheit wäre. Andreas hat Angstattacken, Panikzustände und kann das Haus nicht wirklich verlassen. Der Versuch, an einem heißen Tag einfach mal im Pool im Garten schwimmen zu gehen, endet in einer Katastrophe.

Das eigentlich Unvorstellbare passiert. Der lebenslustige, junge Mann vom Land kommt dem verschanzt lebenden Städter näher. Beide merken bald, dass sie mehr verbindet als nur Freundschaft oder Geilheit. Und so begibt sich Sascha freiwillig in den Käfig, um seinem Andreas Gesellschaft zu leisten und mit ihm den Kampf gegen die Dämonen aufzunehmen. Es kommt, wie es kommen muss, plötzlich geht alles Schlag auf Schlag bis zu einem wirklich spektakulären Ende, das nur so nach Fortsetzung brüllt.

Hart und unbarmherzig schildert Thorstad die psychischen Auseinandersetzungen in beiden Familien. Er bringt seine beiden Jungs auf ungewöhnlichem Weg zusammen, und das Coming-out voreinander ist nur ein Bestandteil der vielschichtigen Emotionen. Er lässt sie Dinge teilen, mit denen manch gestandener Erwachsener noch nie in seinem Leben konfrontiert war. Aber anstatt schreiend wegzulaufen nehmen beide ihren Part an und sind dem anderen genau das, was er in diesem Moment braucht.

Mit der Umschlaggestaltung dieses Buches habe ich so meine Probleme. Ein verschwommenes Panorama von Hamburg mit der durchscheinenden Hand, die einem den Zutritt verwehrt. Ja nun, es passt zum Buch, aber da hätte ich mir etwas gewünscht, das der Größe der Schreibe gerecht wird. Der Bezug ist mir zu real und zu greifbar bzw. erklärbar. Aber die Gestaltung tut dem Erlebnis dieses Buches keinerlei Abbruch, sondern macht eher seinen Wiedererkennungswert aus.

Thorstad zaubert beschwingte und zarte Bilder auf seine Seiten, Bilder einer zerbrechlichen Romanze, die tagtäglich auf Messers Schneide steht und mit jedem Schwanken deren Unbeschwertheit kurz danach Lügen straft. Zwar merkt man, dass man es hier wohl mit einem frühen Buch des Autors zu tun hat, erkennt aber die Schreibe schnell wieder und lässt sich gern abholen.

„Leben im Käfig“ ist mit 12,95 Euro für 680 Taschenbuchseiten seinen Preis auf jeden Fall wert. Ich habe ihm einen Platz unter den schwulen Klassikern in meinem Bücherregal bereits freigemacht und stelle es direkt neben „Zenjanischer Lotus“. Und daneben lasse ich auf jeden Fall einen Platz für die Fortsetzung „Nach der Hölle links“, die in ein paar Wochen rauskommt. Denn das muss ich nach diesem Auftakt unbedingt lesen.

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