Kultur
   10 Jahre
Foto: Dead Soft Verlag

Einzelne Bilder eines heißen Sommers

Eigentlich sollte Phillip zum 50. Geburtstag seines Vaters aus Berlin in seinen Heimatort fahren, ein Dörfchen im Osten des Landes. Da steht dann auch eine Entscheidung an: Fotografie studieren oder beim Vater in die Lehre gehen und das gut gehende Fotogeschäft am Markt der kleinen Gemeinde übernehmen? Will er das?

Im Zug packt es ihn und er steigt eine Station früher aus. Er schaut erst mal bei seinen Freunden aus der Jugendzeit, Benjamin und David, rein. Das Paar lebt, mehr oder weniger akzeptiert, in einem kleinen Haus im Nachbardorf. Auf dem Weg dorthin zerdeppert Phillip aus Versehen seine Digicam und ist erst mal ohne Apparat, irgendwie amputiert. Anstatt die Reise zu seinem Vater fortzusetzen, quartiert er sich bei Benjamin und David ein, pennt dort im Garten in einer Hängematte.

Am nächsten Morgen passieren einige Dinge, die seinem Leben einen anderen Drive verpassen. In den ersten Sonnenstrahlen betritt Seth den Garten. Der schlanke und sehnige junge Mann beeindruckt Phillip nicht nur mit seinen Dreadlocks. Nach einem gemeinsamen Frühstück zu viert möchte Phillip fotografieren, aber die Digicam ist ja platt. Benjamin nimmt ihn mit auf den Dachboden und schenkt ihm eine alte Kamera, die noch Handwerk braucht. Film einlegen, Belichtung messen und Blende einstellen sind gefragt. Autofokus, was ist das?

Mit dieser Kamera fängt Phillip an, die Gegend seiner Jugend zu erkunden und teilweise in einem anderen Licht zu sehen. Und er fängt noch etwas an, und zwar mit Seth. Der ist jedoch ziemlich geheimnisvoll. Er hat weder Telefon noch Adresse rausgerückt und scheint nach Aussage von Benjamin und David auch zu kommen und zu gehen, wie es ihm passt.

So verbringt Phillip mehrere Tage bei den beiden. Fotografierend, durch die Gegend stromernd, und hoffend, Seth wieder zu sehen. Der tut ihm auch den Gefallen und taucht immer wieder auf. So entspinnt sich unter dem brütenden Sommerhimmel eine heiße Affäre und wirft schnell die Frage auf: Reicht das für mehr?

Irgendwann kann Phillip das Treffen mit dem Vater nicht mehr rausschieben. Nachdem vor Jahren die Mutter verstarb, sind Vater und Sohn eher weiter voneinander entfernt, als dass sie zusammen gehalten hätten. Seth scheint auch mehr als ein Geheimnis mit sich zu tragen und die Tatsache, dass ausgerechnet Benjamin und David eines davon lüften, gibt auch zu denken. Spielen da etwa andere Absichten eine Rolle? Und was hat Seth mit der alten Fabrik zu tun? Gibt es Hoffnung? Wenn ja für wen?

„Phillips Bilder“ von J. Walther ist im Dead Soft Verlag als broschiertes Buch mit 156 Seiten erschienen. Die Umschlaggestaltung haut einen eher nicht so vom Hocker. Es erscheint, als wenn mit einfachen PC-Mitteln hier mal schnell ein Hintergrund und Bilder von ein paar Holzbrettern, einer Hängematte und einem Gesicht fix zusammengeschraubt wurden. Fakt ist, das Cover versteckt eigentlich eher, als dass es auf das Buch aufmerksam macht. Und dabei hätte es das durchaus verdient.

J. Walther erzählt eine Geschichte über Bilder in Bildern. Nicht wirklich zusammenhängend, aber auch nicht völlig zusammenhanglos hüpft der Leser mit ihr von einem Bild zum nächsten. Wenn man sich von dem üblichen Wunsch nach einer klar erkennbaren Erzählstruktur lösen kann, dann hat man die Chance, sich einfach mit den Bildern, die der Text entstehen lässt, treiben zu lassen, so wie die Charaktere durch den Strom der Geschichte mitgezogen werden. Einzelne Bilder eines heißen Sommers, zwischendrin unterbrochen von einer angenehmen Brise, so kann man den Verlauf der Geschichte am besten beschreiben. Man begleitet Phillip durch seine Stationen auf dem Weg zu einer Erkenntnis nach der anderen und erlebt ein nicht ganz abgeschlossenes, aber auch kein ganz offenes Ende.

Das Buch ist echt lesenswert, aber es empfiehlt sich wirklich, den Reader zur Hand zu nehmen und das Ebook für 3,99 € zu erwerben. Das ist echt praktisch. An trüben Tagen einfach runtergeladen und schon hat man die angenehm leichte Unterhaltung direkt zur Hand und kann sich sommerlich abgelenkt treiben lassen.

 
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