Kultur
   10 Jahre
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Nach der Hölle links

Ich habe es angekündigt, diesem Buch einen Platz in meinem Bücherregal bei den Klassikern freizuhalten. Ob dieser Fortsetzungsroman den auch tatsächlich bekommt?

Drei Jahre sind seit den turbulenten Ereignissen im Hause derer von Winterfeld vergangen. Sascha hat ein Psychologie-Studium aufgenommen. Er lebt mit seinem Lover Nils und dessen bester Freundin in einer Dreier-WG. Der Kontakt zu seiner Mutter ist bekanntlich schlecht, aber seine Tante bietet ihm immer noch gern eine Anlaufstelle in seiner Wahlheimat Hamburg. Schade nur, dass die direkt neben der dunklen und abweisenden Villa von Winterfeld liegt. Sascha hat Andreas nie vergessen können.

Aber kein Wort, keine Mail, kein Blick ist zwischen Sascha und Andreas in diesen drei Jahren gewechselt worden. Dabei hat letzterer sicherlich den härteren Weg zurückgelegt. Andreas hat lange Zeit in Kliniken und Therapie verbracht. Mühsam hat er gegen seine Agoraphobie und deren Begleiterscheinungen angekämpft. Er hat sich immer wieder den Stimmen, Emotionen, der Angst und Panik entgegengestellt. Er arbeitet fünf Vormittage als Praktikant in einem Tierheim und lebt in einer eigenen Wohnung in der Nähe der Speicherstadt, mit Riesendachterasse. Hier hält er sich tatsächlich häufig auf und genießt es, sich diese Freiheit erkämpft zu haben. Einem weiteren Mann hat Andreas nicht erlaubt, in sein Leben zu treten.

Beide jungen Männer haben sich also in ihrem Leben einigermaßen eingerichtet, als passiert, was passieren muss. Sie treffen einen kurzen Moment aufeinander. Zufällig. Was nun folgt, ist logischste Konsequenz aus den Entwicklungen der letzten drei Jahre.

Für Andreas’ Therapie wären weitere Treffen förderlich, aber eigentlich will er das gar nicht. Seine Eltern kämpfen mit sich selbst. Saschas Schwester zieht ebenfalls nach Hamburg, was in der Familie das endgültige Chaos auslöst. In der Beziehung mit Nils kommt es zum großen Knall, inklusive der Frage: ausziehen oder bleiben und kämpfen? Nur durch diese Begegnung ausgelöst, stehen beide jungen Männer vor Unmengen von Entscheidungen. Ein steiniger Weg zeichnet sich ab, von dem nicht absehbar ist, ob sie ihn überhaupt gemeinsam gehen oder sich wieder komplett voneinander abwenden.

Selten ist ein großer Moment, in dem für die Beteiligten die Zeit stillsteht, so unprätentiös und schnörkellos beschrieben worden wie das Wiedersehen zwischen Sascha und Andreas. Hier strömen nicht große Plattitüden oder wortgewaltige Sätze auf das Papier. In seiner bewährt feingliedrigen Art und Weise beschreibt Thorstad diesen und andere große Momente seiner Geschichte, um kurz danach wieder eine unbändige Schnelligkeit in das Geschehen zu bringen. Der Autor musste offensichtlich einfach nur die Geschichte seiner beiden Jungs weitererzählen, das scheint der einzige Beweggrund für diese 592 Seiten zu sein. Und das merkt man immer wieder. Diese Fortsetzung steht dem ersten Buch in nichts nach und kann zweifellos als einzelnes Buch gelesen werden, wobei ich eine klare Empfehlung dafür ausspreche, das Vorbuch zu kennen.

Ein großes Lob muss ich der in meiner letzten Rezension bemängelten Umschlaggestaltung machen. Diese baut offensichtlich aufeinander auf und war somit wohldurchdacht. Die Hamburger Skyline hat sich auf dem letzten Buch hinter einer Scheibe mit Handabdruck verborgen. Bei „Nach der Hölle links“ ziert nun ein großes ausgefranstes Loch diese Scheibe, durch das die Skyline klar und angenehm zu sehen ist. Die scharfen und zackigen Ränder des Loches machen aber klar, dass der Weg dahin nicht leicht wird. Vielleicht eine etwas blumige Metaphernauswahl, die aber wesentlich besser zu diesen Büchern passt, als einfach einen oder zwei halbnackte junge Männer auf das Cover zu bannen. Der Preis von 11,95 € für das 592-seitige Taschenbuch geht in Ordnung und liegt im Preisgefüge der Buchwelt und des eigenen Verlages.

„Nach der Hölle links“ hat sich seinen Platz in meinem Bücherregal bei den LGBT-Klassikern redlich verdient und wird ihn bekommen. Aber so was von!

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