Reise
   12 Jahre
Foto: Alexander Büsselberg

Abtauchen in Havanna

Von der Dachterrasse des Hotel Inglaterra erinnert Kubas Hauptstadt ein bisschen an Kabul nach einem Bombenangriff. Wie die Metastasen eines Krebsgeschwürs frisst sich der Verfall durch diesen einzigartigen Ort: Hier ein prachtvoller Palast, daneben nur noch ein Haufen Schutt. Viele Gebäude dieser traumhaft schönen Kulisse sind eingestürzt, es fehlt an allem: an Geld, an Baustoffen und nicht selten auch an Ehrgeiz und Disziplin der Einwohner. Erst neuerdings pflegt Kuba seinen fast einzigen Reichtum – wundervolle Fassaden, wie man sie sonst nur aus Barcelona kennt.

"Alles klar?"

„Guantanamera“ schallt es live aus jedem Winkel. Neugierige Blicke atemberaubend hübscher Menschen folgen den Touristen. Einen Kubaner kennenzulernen ist um ein Vielfaches einfacher, als ihn wieder loszuwerden. Versprechen oder Drohung? „Hola, mein Freund, english or deutsch, alles klar?“ Kontakt gibt es schnell und überall. Kubanische Zigarren, Rum, Käse, Theaterkarten, Sightseeing: Die Kubaner handeln mit allem, was sie selbst nicht haben sollten. Gegebenenfalls auch mit sich selbst. Das einstige Freudenhaus der USA ist heute eines der ärmsten Länder Amerikas. 12 Millionen gut ausgebildete Kubaner sind entweder arbeitslos oder leben von rund 20 Euro im Monat. Es fehlt an allem, selbst Lebensmittel und Strom sind rar.

Havannas wichtigste nächtliche Anlaufstelle ist der „Malecón“, die rund 7 Kilometer lange Uferpromenade mit haufenweise Schwulen. Direkt vor dem berühmt-berüchtigten „Hotel Nacional“ treffen sich ab 22 Uhr Hunderte schwule Männer. Interessierte Blicke, beiderseits. Ein Feuerwerk an körperlicher Attraktion, gehüllt in Dolce & Gabbana, Armani, Versace und Calvin. Kubanische Jungs sind fast schon übertrieben körper- und markenbewusst. Meist handelt es sich jedoch um Fakes chinesischer Herkunft – oder um touristische Liebeshinterlassenschaften. Hier bleibt niemand lange allein. Jedenfalls nicht für 20 Pesos, rund 16 Euro. Dass diese Zusammentreffen auch geschäftlicher Natur sind, darf ebenso wenig überraschen wie die Tatsache, dass nicht jeder dieser Beaus wirklich schwul ist.

 
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