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   7 Jahre
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Rezi: Der Klippenspringer - Barbara Corsten

Der Frühling traut sich noch nicht wirklich um die Ecke, da kann man in Barbara Corstens „Der Klippenspringer“ aus dem deadsoft Verlag schon vom Sommer träumen. Wobei das gar keine so traumhafte Kulisse ist, die Frau Corsten da aufmacht. In einem Dorf in Kroatien lässt sie eine Geschichte von Homophobie, Eifersucht, Mut und Tragik stattfinden, die man hinter dem profanen Titel gar nicht vermutet. Da ist es kein Wunder, dass die Autorin gerade eine 5 Sterne Rezension nach der anderen für dieses Buch einfährt, aber der Reihe nach. 

Ein Dorf aber keine Heimat

Ante lebt mit seiner Mutter in einem kleinen Haus am Rand des Fischerdorfes in Kroatien. Hier geht es noch traditionell zu. Jeder bekommt seinen Platz im Dorf und den hat er oder sie auch einzunehmen. Noch als kleiner Junge hat Ante seinen Vater verloren und kann sich manchmal auch nur noch verschwommen an ihn erinnern. Seine Mutter, von da an auf sich allein gestellt, hat den Jungen allein großgezogen. Dazu hat sie neben dem Haus einen Garten angelegt, in dem sie vieles selbst züchtet undarbeitet in einem der nahe gelegenen Hotels. Inzwischen muss auch Ante seinen Teil dazu verdienen um den kargen Lebensunterhalt aufzubessern. 

Doch der zarte und feingliedrige junge Mann will so gar nicht in dieses raue Leben an der Küste passen. Was andere Jungs in seinem Alter mit einem Arm halten, das kann Ante gerade einmal unter Aufbietung seiner ganzen Kraft und Einsatz seines Körpergewichtes bewältigen. Voll der Außenseiter gehört es unter den Jugendlichen des Dorfes schon länger zum „guten Ton“ Ante zu jagen, zu hänseln und zu verprügeln. 

Ein entscheidender Moment

Wieder einmal gibt Ante Fersengeld, um seine Verfolger abzuschütteln, doch hartnäckig haben Joso und seine Schergen sich an seine Fersen geheftet und der Blick in ihre rasenden Gesichter hat Ante schon lange verraten, dass es diesmal keine Rettung gibt. So rennt er immer weiter auf die höchste Klippe der Steilküste zu. Den Menschenauflauf dort steuert er an, in der Hoffnung auf Rettung. Aber die Masse teilt sich nur vor ihm und seinen Verfolgern. Sie sind heute alle hier um die Attraktion des Dorfes live zu erleben, Kristijan, den Sohn des Industriellen bei einem gewagten Sprung von der höchsten Klippe in die tosende See. Der junge muskulöse Mann bereitet sich gerade vor, als Ante an ihm vorbei rennt, seine Verfolger direkt hinter sich. 

Aus dem nun folgenden Chaos trägt Ante einige schwere Verletzungen davon und ausgerechnet der gut aussehende und hünenhafte Kristijan greift nach seiner Hand. So beginnt eine zarte Romanze mit einem ersten dankbaren Blick aus Antes tiefen Augen. Kristijan kümmert sich rührend um den Verletzten, steht ihm im Krankenhaus bei und ist so oft bei ihm, wie es geht. Innige Momente der Zweisamkeit machen beiden Jungen klar, wie anders sie sind, aber dass sie gemeinsam stark sein können. 

Noch ein Neuanfang 

Was gestern noch ein Traum schien, liegt in Scherben. Kristijan, der seinem Vater alles erzählen wollte, ist nicht wieder aufgetaucht. Aus ihrem Haus müssen sie raus, denn die Mutter musste es für die hohen Arztkosten für Antes Behandlung verkaufen. Und so rumpeln sie am frühen Morgen in einem alten LKW Richtung Zagreb. Eine alte Dachgeschosswohnung in einem Mietshaus wird von nun an ihr Zuhause sein. Sie hat zwar mehr Komfort als das alte Haus, aber beiden, Mutter und Sohn fehlt das Meer sehr schnell. Während die Mutter sich bald mit der Ladenbesitzerin aus dem Erdgeschoss anfreundet und zumindest einen kleinen Job bekommt, bleibt Ante erst mal für sich. 

Aber bereits seine erste Flucht durch die neue Umgebung soll seinem Leben eine positive Richtung geben, nur das weiß der junge Mann nicht. Den Ratschlag des aus seiner Sicht alternden Fotografen Richard schlägt er in den Wind. Und so vertraut er ein weiteres Mal den falschen Menschen, bis er sich endlich aufrafft und sein Leben angeht. Er ergreift eine helfende Hand, die ihm nun Raum und Zeit zur Entwicklung gibt. Nach intensivem Leben und Lernen steht Ante dann doch Kristijan wieder gegenüber, aber unter ganz anderen Vorzeichen. Ante ist nun ein Mann, der genau weiß, was er will und was nicht. Jetzt wird es sich entscheiden, Neuanfang 3.0 oder doch ein letztes Verpuffen? 

Verstörend, intensiv und berührend

Barbara Corstens Charaktere sind klar umrissen und jeder passt in eine Schublade? Denkste. Weder Ante, noch Kristijan lassen sich mit einfachen Worten beschreiben. Ihre Erlebnisse bis zum Zusammentreffen auf der Klippe machen sie zu dem, was sie sind. Das was sie danach erleben, hätte sicherlich anders laufen können, wenn sie sich anders entschieden hätten. Und so begleitet der Leser Ante auf seinem schmerzhaften Weg zum Mann. Zu einfach ist das Zurückfallenlassen in alte Verhaltensweisen. Wie gern macht man andere für das eigene Unglück verantwortlich. Schnell wird Ante zu einem Bruder, Freund oder Vertrauten, den man manchmal schütteln, aber eigentlich nur beschützen möchte. So hat man als Leser Ante schon zigmal angefeuert, als er dann auch endlich losmarschiert. 

Die Männer, denen Ante auf seinem Weg begegnet, haben alle ihren Reiz und jeder zeichnet sich genau dadurch aus. Ob der hinterhältige Joso, der schöne Kristijan, der zwielichtige aber attraktive Bela, der reife Fotograf Richard oder dessen alter Freund Milo, sie alle prägen einen Teil von Ante zu dem Mann, der er am Ende dieses Buches ist. Wobei dieses Ende eine echte Gemeinheit ist. Es lässt einen allein und man möchte doch so gerne mehr wissen. Was wird denn nun aus Milo? Oder aus Bela,oder Kristijan oder Richard oder Jose, oder auch aus Ante selbst??? 

Fragen, die die Autorin hoffentlich bald in weiteren Büchern beantwortet.
 

Barbara Corsten
Der Klippenspringer
Dead soft Verlag
392 Seiten

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