Foto: Staatsministerium Baden-Württemberg

Community für sexuelle Vielfalt im Unterricht

Aus dem Krieg der Petitionen ist nun ein Streit innerhalb der Community geworden: Christoph Michl, Sprecher des CSD Stuttgart, wirft der grün-roten Landesregierung in Baden-Württemberg vor, nicht genug Rücksicht auf die Ängste der Menschen zu nehmen. Die Regierung hatte einen Bildungsplan vorgelegt, demzufolge in der Schule stärker über unterschiedliche Formen des Zusammenlebens informiert werden soll.

In die Medien kam das Thema über eine Petition „Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens“, die von dem Realschullehrer Gabriel Stängle aus Rohrdorf, einem 2000-Seelen-Dorf im Landkreis Calw, auf openpetition.de eingebracht worden war und bis heute, vier Tage vor Ablauf, 166.000 Unterstützer gefunden hat. Die katholische und die evangelische Kirche unterstützten die Petition inhaltlich, distanzierten sich aber von „Hetzparolen“ und diffamierenden „Blogeinträgen“. Zustimmung erhielt die Stängle-Initiative auch von der AfD. In der baden-württembergischen FDP kam es zum Streit: Nachdem Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke andere Lebensformen als die klassische Familie als „tolerabel, aber nicht gleichwertig“ bezeichnet hatte, erklärte JuLi-Landeschef Sebastian Gratz, er schäme sich für diese Aussagen. Schließlich stellte das Präsidium der Landespartei klar, die FDP sein dafür, „dass im Schulunterricht ein liberales, tolerantes und weltoffenes Menschenbild vermittelt wird“.

Nachdem die Medien über die Petition berichtet hatten, starteten die Befürworter des Bildungsplans der grün-roten Landesregierung eine Gegenpetition, die noch sechs Wochen lang läuft und derzeit bei 83.000 Unterstützern steht. Auf campact.de gibt es eine weitere Aktion unter dem Motto „Vielfalt gewinnt: Homophobie im Netz – Halten Sie gegen!“, die bereits 134.000 Unterzeichner hat. Zahlreiche Gruppen setzten sich öffentlich für die Behandlung der sexuellen Vielfalt im Unterricht ein, darunter der Landesschülerbeirat, die katholischen Laien, Pro Familia, die Wirtschaftsweiber, der Verband der lesbischen und schwulen Polizeibediensteten sowie die lesbischen Pfarrerinnen und schwulen Pfarrer in den Evangelischen Landeskirchen Baden und Württemberg. Die „Schwulenmutti“ Laura Halding-Hoppenheit aus Stuttgart, die gestern mit dem Bundesverdienstkreuz für ihren langjährigen Einsatz für die Belange der Homosexuellen ausgezeichnet wurde (Foto), äußerte sich entsetzt über die Debatte: „Das ist der blanke Horror. Das muss doch endlich besser werden. Ich habe wirklich gedacht, die Gesellschaft ist jetzt weiter.“

Diesen schönen Einklang der Community stört nun Christoph Michl mit nachdenklichen Worten. Der Deutschen Presse-Agentur sagte er: „Die Richtung ist richtig, aber man muss die Gesellschaft mitnehmen.“ Die Petition zeige, dass es in der Gesellschaft Ängste gebe. „Die muss man ernst nehmen.“ Dies sei bisher leider zu wenig geschehen. Offensichtlich sei es bisher nicht gelungen zu verdeutlichen, dass es nur darum gehe, das Prinzip der Toleranz im Bildungsplan zu verankern. „Diese Diskussion muss man führen.“ Kontraproduktiv sei auch die gut gemeinte Aktion von Grün-Rot gewesen, die Regenbogen-Flagge der Homosexuellen auf dem Neuen Schloss zu hissen. „Nicht alles, was gut gemeint ist, ist auch gut gemacht.“ Schließlich wolle man keine Sonderrechte, sondern Normalität.

Auf diese Äußerungen erntete Christoph Michl einige erboste Reaktionen aus der Szene („Unsinn“). In einer nachgeschobenen Erklärung sorgte der Vorstand des CSD Stuttgart nun für Klarheit: Die Verankerung der sexuellen Vielfalt im Bildungsplan sei völlig unstrittig. Die Kommentare in den Leserbriefspalten der Zeitungen und in den Online-Medien zeigten aber, „dass viele Ängste, Verunsicherungen und Vorurteile präsent und greifbar sind. Die Ängste der Menschen gilt es ernst zu nehmen. Den Vorurteilen gilt es deutlich zu begegnen.“ Beides werde nur durch Aufklärung und einen offenen, unaufgeregten Dialog gelingen. Hierbei seien alle gleichermaßen gefordert: Community, Politik, Medien und Gesellschaft.

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