NRW
   14 Jahre
Foto Gaywheelers

Alles ist möglich

In der Schwulenszene herrscht, soweit der Mythos, Oberflächlichkeit und Jugendwahn. Wie lebt es sich da als offen Schwuler mit einer körperlichen Behinderung, die nun gar nicht dem Bild des stylish-glamourösen Mannes entspricht?

Von Yahoo zu den Gaywheelers

Jan (34) ist seit seiner Geburt querschnittsgelähmt und sitzt im Rollstuhl. Vor acht Jahren hat er beim Onlinedienst Yahoo eine Gruppe gegründet für Homosexuelle mit Behinderung. Hieraus hat sich die feste Gruppe "Gaywheelers" etabliert, die sich einmal im Monat im Essener X-Point trifft und austauscht. "Früher bin ich auch alleine in die Szene gegangen. Aber oftmals ist der Versuch, auszugehen schon an den räumlichen Begebenheiten der Szenelokale gescheitert. Zum Beispiel ist der Besuch einer Gaysauna für mich von vorneherein ausgeschlossen, weil die Räume einfach nicht rollstuhlgerecht sind" erzählt Jan.

Hinzu kommt, dass Jan sich als schwuler Rollstuhlfahrer oftmals nicht als vollwertiges Mitglied der Community wahrgenommen fühlt: "Zum Teil erntet man als Behinderter Sprüche wie 'Was will der denn hier?' oder ähnliche Kommentare und dementsprechende Blicke. Aber mittlerweile habe ich ein dickes Fell und ignoriere das."

Pflegedienst und Partnerschaft

Männer kennenzulernen ist durch das Internet auch für ihn leichter geworden. Aktuell lebt er in einer festen Beziehung mit einem Nichtbehinderten, er hatte aber auch Beziehungen mit Männern, die ebenfalls behindert waren. Hier hat er die Erfahrung gemacht, dass, je nach Grad der Behinderung, ein Pflegedienst möglicherweise einen erheblichen Anteil des Lebens innerhalb der Partnerschaft mitbestimmt. Der Partner muss dann nicht nur vor der eigenen Familie ein Coming-Out wagen, sondern zusätzlich auch vor den Mitarbeitern des Pflegedienstes.

Diese sind häufig nicht geschult darin, mit dem Bereich Sexualität bei Pflegebedürftigen im Allgemeinen umzugehen, die Tatsache, dass ein zu Betreuender homosexuell ist, kommt dann noch erschwerend hinzu. Jan verdeutlicht dies folgendermaßen: "Stell dir vor, du möchtest Sex haben mit deinem Partner, er ist aber körperlich nicht in der Lage, sich selbst an- und auszuziehen und ins Bett zu legen. Dann musst du die Mitarbeiter des Pflegedienstes darum bitten, wenn du selbst dies auch nicht für ihn tun kannst. Das erfordert natürlich Mut." Überhaupt ist der Umgang mit der eigenen Sexualität ein häufiges Thema in den Gesprächen der Gaywheelers Gruppe.

Keine eigenständige Sexualität?

Robert, der ebenfalls regelmäßig an den Treffen der Gaywheelers teilnimmt, hat die Erfahrung gemacht, dass er mit seiner Gehbehinderung häufig nicht als potentieller Partner ernstgenommen wird. Seiner Meinung nach wird Behinderten "die Fähigkeit zu einer eigenständigen Sexualität abgesprochen, da sich viele Menschen einfach nicht vorstellen können, dass auch Behinderte ein Sexualleben haben". Der 34jährige hat bereits als Kind feststellen müssen, dass auch Ämter wenig sensibilisiert sind für die Bedürfnisse für Menschen mit Behinderung: Ursprünglich sollte er eine Förderschule besuchen, was nur am Widerstand seiner Mutter gescheitert ist.

Beide haben trotz einiger schlechter Erfahrung durch ihre Umwelt ihren Sinn für Humor bewahrt und werden sich auch weiterhin in der Szene bewegen. Die Gaywheelers bieten ihnen die Möglichkeit, sich auszutauschen und gemeinsam etwas zu unternehmen. Ob sie sich demnächst aufmachen zum Kölner CSD oder zum Glamourdome in Essen – Hauptsache sie sind dabei, und, so Jan: "Vielleicht ist für uns alles etwas umständlicher, aber möglich ist es trotzdem."

 

Treffen jeden 4. Samstag im Monat im Essener X-Point, 18.00-21.00 Uhr, gaywheelers@gayhandicaped.de, www.essen-x-point.de

 
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