Gesellschaft
   13 Jahre
Foto: Fabio Pozzebom / ABr / Wikipedia

Medialer Kreuzzug

Wenn der Papst kommt, wollen alle etwas davon haben: Im Bundestag lässt Volker Beck demonstrativ über die Öffnung der Ehe debattieren, die Papstgegner holen sich fragwürdigen Beistand. Auch die Kirche profitiert vom Protest. Dabei lässt die Visite die meisten Deutschen kalt. Ein Einwurf von Stefan Mielchen.

Keine große Bedeutung

Papst Benedikt XVI. wird in dieser Woche Deutschland besuchen. Ein mit nie gekanntem Aufwand und unglaublichen Kosten inszenierter Staatsbesuch, der die meisten Deutschen jedoch kalt lässt: Nach einer Forsa-Umfrage für das Magazin "Stern" halten 86 Prozent die Visite Seiner Heiligkeit für "eher unwichtig" oder "überhaupt nicht wichtig". Selbst unter den befragten Katholiken messen nur 36 Prozent dem Papstbesuch größere Bedeutung zu.

Das hält den LSVD nicht davon ab, das Ereignis zu überhöhen, um sich selbst entsprechend in Stellung bringen zu können und medial hiervon zu profitieren. Der Verband trommelt seit Monaten mit dem Bündnis "Der Papst kommt" gegen den letzten großen Gegner, den Schwule und Lesben in Deutschland noch haben: die katholische Kirche. Und damit gegen die eigene Bedeutungslosigkeit.

Wenn der Pontifex kommt, wird geklotzt und nicht gekleckert, vor allem argumentativ: 20.000 Menschen sollen gegen Benedikt XVI. demonstrieren, am liebsten vor dem Brandenburger Tor. Dort durfte zwar nicht einmal Barack Obama sprechen, das macht aber nichts. Die Sicherheitsbedenken der Versammlungsbehörde wurden von den Papst-Gegnern fix zur drohenden Grundrechtsverletzung umgedeutet. Wen interessieren schon die Feinheiten?

Ein CSD im Herbst

Demonstriert werden darf natürlich am 22. September, jetzt also am Potsdamer Platz. Auch hier lässt man sich nicht lumpen. Trucks werden aufgefahren, DJs sowieso, das volle Programm. Die Startreihenfolge ist ausgelost, Helfer zum Dekorieren werden noch gesucht. Es ist eine Art CSD im Herbst - diesmal sogar mit Politik. Der Protest ist mehr als berechtigt, doch seine Protagonisten agieren eher peinlich.

Bei der geplanten Kundgebung wird etwa die unvermeidliche Uta-Ranke-Heinemann sprechen. Die schrullig-schrille Theologin hat mit Joseph Ratzinger in den 50er-Jahren des letzten Jahrtausends an der gleichen Uni studiert, das muss als Qualifikation wohl reichen. Wirklich ernst nimmt sie kaum noch jemand.

Auch David Berger ist geladen, bis vor kurzem noch Mitarbeiter der päpstlichen Glaubenskongregation, also jener Institution, deren Chef Joseph Ratzinger lange Zeit war und die darüber wacht, dass keine Irrlehren verbreitet werden. Früher nannte man das Inquisition.

David Berger ist neuerdings der Kronzeuge gegen die Homosexuellenfeindlichkeit der Kirche. Er ist schwul, hat sich geoutet und wurde entlassen - das macht ihn aus Sicht vieler Schwuler zum Märtyrer. Wer fragt da schon, wie glaubhaft sein Wandel vom erzkonservativen Theologen zum Vorkämpfer der vermeintlich guten Sache tatsächlich ist? Niemand - denn der LSVD braucht bei seinem medialen Kreuzzug Menschen wie Berger: intelligent, eloquent, vorzeigbar. Der kommt sogar ins Fernsehen.

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