Gesellschaft
   13 Jahre

Ole von Beust redet Tacheles

"Ministerpräsident ist das Äußerste", was ein Homosexueller in der CDU werden kann, sagt Hamburgs Ex-Bürgermeister Ole von Beust in einem Interview mit dem "Zeit-Magazin", das am 1. Mai erscheint. Eine Rückkehr in die Politik schließt er nicht aus.

Niemand hat gefragt

Gestern auf den Tag genau vor einem Jahr trat Bundespräsident Horst Köhler zurück. Die CDU suchte dringend einen Nachfolger. An Ole dachte dabei offenbar niemand, doch der gestand dem "Zeit-Magazin", dass er sich durchaus zu Höherem berufen gefühlt hätte: "Ach, wenn man mich gefragt hätte - ich hätte nicht nein gesagt."

Aber es hat niemand gefragt, und von Beust glaubt auch den Grund zu kennen: "Ministerpräsident ist das Äußerste", was ein Homosexueller in der CDU werden könne, sagte er in dem Interview. "Ich selbst wäre auch nie Spitzenkandidat geworden, wenn die Leute geahnt hätten, dass ich gewinnen könnte. Ich war ja eher eine Verlegenheitslösung, der Jungspund, der immer so aussieht, als käme er vom Segeln. Ich weiß, dass Helmut Kohl 1997 dagegen war, dass ich Spitzenkandidat wurde."

"Ich wurde schlechter"

Rund neun Monate nach seinem Ausscheiden aus dem Amt schildert von Beust nun erstmals ausführlich die Motive, die ihn am 18. Juli dazu bewogen, seinen Rücktritt nach neuneinhalb Jahren als Erster Bürgermeister anzukündigen. Viele Dinge hätten sich im Laufe der Zeit wiederholt: "Es gibt viele Termine, die Jahr für Jahr die gleichen sind. Die Leute erwarten zu Recht, dass ein Bürgermeister gerne dorthin geht. Ich dachte aber immer öfter: Warum schon wieder? Ich war doch schon acht Mal da. Ich weiß genau, welche Musik gespielt wird, welche Reden gehalten werden." Außerdem räumte von Beust ein, er habe gemerkt, "dass ich schlechter wurde".

Und doch schließt er eine Rückkehr in die Politik nicht grundsätzlich aus: "Ich sehne mich nicht danach, und ich bitte nicht darum. Aber wenn es eine interessante Aufgabe gäbe, dann würde ich darüber nachdenken."

Andere Maßstäbe

Kurz nach seinem Ausscheiden aus der Politik machte von Beust mit einem öffentlichen Auftritt gleich wieder Schlagzeilen: An seiner Seite zeigte sich erstmals Lukas Förster, der junge Lebensgefährte des Ex-Bürgermeisters. Da war Christian Wulff längst zum Bundespräsidenten gewählt. Vielleicht auch besser so: Ein schwules Staatsoberhaupt mit einem 36 Jahre jüngeren Freund hätte die Nation zweifellos überfordert. Schon das Medienecho in Hamburg ließ ahnen, dass sich ein Schwuler eben nicht das herausnehmen kann, was Hetero-Politiker wie Franz Müntefering oder Joschka Fischer wie selbstverständlich zelebrieren.

Er habe sein Schwulsein immer "sehr offen gelebt", sagte von Beust. Dennoch hätte er lange Zeit Angst vor einem Outing gehabt: "Ich wollte mich nicht rechtfertigen müssen für Dinge, die keinen was angehen. Und ich wollte nicht der schwule Fraktionsvorsitzende sein, sondern der Fraktionsvorsitzende, der vielleicht auch schwul ist."

Spiegel überm Bett?

Starke Kritik übte er in dem Interview am Verhalten der Medien nach seinem erzwungenen Outing durch den damaligen Hamburger Innensenator Ronald Schill im Jahr 2003. Zeitungen hätten anschließend "monatelang mein Privatleben durchforstet", sagte von Beust. "Die haben bei Handwerkern angerufen, ob es Vorrichtungen an der Wand gibt, an denen jemand gefesselt werden kann, ob es Spiegel überm Bett gibt. ... Dieses Gefühl, dass das eigene Umfeld abgeschöpft wurde - das hat mich wirklich belastet."

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