Gesellschaft
   14 Jahre
Foto: christian-wulff.de

Wulff auf Bewährung

"Ich war und bin Politiker, der Menschen zusammenführt", so die Selbsteinschätzung des niedersächsischen Ministerpräsidenten auf der eigens zur Kandidatur umgebauten Website. "Mir geht es darum, Menschen zu integrieren, Interessen auszugleichen und die richtigen Denkanstöße zu geben."

So setzte sein 2003 ins Amt gekommenes schwarz-gelbes Kabinett den homo-freundlichen Kurs der roten Vorgänger fort. Im Sozialministerium, zunächst von der heutigen Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen und jetzt von der türkischstämmigen Unionspolitikerin Aygül Özkan geleitet, sind nach wie vor Ansprechpartner für schwule und lesbische Lebensweisen zuständig.

Diskriminierung oder Antidiskriminierung?

"In den letzten Jahren hat sich für lesbische und schwule Mitmenschen erfreulicherweise sowohl in rechtlicher als auch in gesellschaftlicher Hinsicht vieles verbessert. Dazu trägt unter anderem das seit dem 1. August 2001 geltende Lebenspartnerschaftsgesetz bei", heißt es – denkt man an den schwarz-gelben Widerstand gegen die Homo-Ehe etwas überraschend – auf der Ministeriumshomepage.

"Die Niedersächsische Landesregierung setzt sich dafür ein, dass alle Bürgerinnen und Bürger respektvoll und tolerant mit lesbischen oder schwulen Mitmenschen umgehen." Für den Abbau der Diskriminierung schwuler Männer stünden "Landesmittel zur Förderung schwuler Selbsthilfe zur Verfügung".

Ein konkretes Instrument zur Bekämpfung von Diskriminierung, das von der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD 2006 verabschiedete Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, allerdings lehnte der Ministerpräsident ab. Nur mit Mühe wurde Christian Wulff auf Linie gebracht. "Das Gesetz ist ein Monstrum, was so nicht hätte kommen sollen", ließ er sich damals dennoch entlocken.

Wulff bei Evangelikalen

Für größeres Stirnrunzeln sorgte sein Engagement bei Pro Christ. Seit 2005 sitzt der praktizierende Katholik im Kuratorium der bekennend evangelikalen Organisation, die sich um die "Bekehrung von Menschen zum Glauben an Jesus Christus" kümmert.

Pro Christ engagierte sich 2008 unter anderem für das Christival in Bremen, ein christliches Jugendfestival unter Schirmfrauschaft der damaligen Bundesfamilienministerin von der Leyen. Nur nach massivem öffentlichen Druck unter anderem des Grünen-Bundestagsabgeordneten Volker Beck und des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland (LSVD), nahmen die Organisatoren damals Workshops von selbst erklärten Homoheilern aus dem Programm – ein Unding für den Pro-Christ-Sprecher Ulrich Parzany: "Dass Herr Beck und die mit ihm verbundenen Gruppen anderen Menschen nicht einmal die Freiheit zugestehen, dass sie ihre homosexuellen Empfindungen als Problem sehen können und nach Hilfen suchen, die nicht im Ausleben der Homosexualität liegen, zeigt, dass es hier um Grundfragen unseres Freiheitsverständnisses geht", so der Pfarrer. "Die an biblischen Aussagen orientierte ethische Kritik an praktizierter Homosexualität wird offensichtlich nicht nur als Kritik am Verhalten von Menschen, sondern als Diskriminierung ihrer Identität und damit als Verletzung ihres menschlichen Grundrechtes angesehen. Eine solche ethische Sicht wird anderen darum nicht einmal als selbst gewählte Möglichkeit zugestanden."

Ob Christian Wulff sein Engagement bei Pro Christ aufgeben wird, ist noch offen. Nach Angaben der niedersächsischen Staatskanzlei will er nach seinem Einzug ins Schloss Bellevue erst einmal in Ruhe seine Mitgliedschaften sortieren, um über einen etwaigen Austritt zu entscheiden.

Homofreundlicher Vorgänger

Mit viel Spannung werden die Homo-Verbände im Lande darauf warten, welche Akzente das neue Staatsoberhaupt in Fragen der Community setzen wird. Sein Vorgänger Horst Köhler empfing zweimal eine Delegation des LSVD in seinem Amtssitz. Mit einem Plädoyer zur Anerkennung von Regenbogenfamilien zog er sich den Unwillen der CSU zu.

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