Kultur
   9 Jahre
Foto: Querverlag

Das größte Geheimnis seines Lebens

Der Berliner Geschichtsstudent Timo hat sich sein Leben im Jahr 2001 eigentlich recht komfortabel eingerichtet. Seine Mitbewohnerin Thea ist auch seine beste Freundin, und so hat er dann auch gleich eine angenehme familiäre Atmosphäre in der Wohnung, wann immer sie will. Sein fester Freund Ammar stammt aus Jordanien und studiert in Deutschland. Der Südländer schindet nicht nur durch sein gutes Aussehen, sondern auch durch seine guten Manieren an allen Ecken und Enden Eindruck. Dazu checkt Timo häufiger mal Gay-Portale oder Cruising-Plätze – zumindest um zu wissen, was so läuft. Oder vielleicht auch mehr.

Für ein Seminar in seinem Studium setzt er sich dann nicht ganz freiwillig mit den Kriegserinnerungen seiner Großeltern auseinander. Eigentlich weiß er auch nicht, wie es dazu gekommen ist, aber als er erkennt, was da so auf ihn zurollt an Arbeit, ist es auch schon zu spät. Nun trifft er sich regelmäßig mit Oma Elli und Opa Ernie in Rostock um zu erfahren, wie sein Opa den Krieg erlebt hat, denn der war schließlich an der Front. Aber Opa Ernie trägt ein dunkles Geheimnis mit sich herum, dass im Laufe der Recherchen seines Enkels nicht mehr verborgen bleibt. Der Opa war im Krieg mit einem Mann liiert. Einem Adligen. Der könnte noch leben.

Diese Erkenntnis versetzt dem jungen Geschichtsstudenten einen Schock. Oma und Opa sind doch immer noch verheiratet und so und nicht anders hat er sie kennen gelernt. Langsam und Stück für Stück öffnet sich der Opa seinem Enkel und vertraut ihm mit seinen knapp 80 Jahren das größte Geheimnis seines Lebens an.

Aber das ist nicht das Einzige, was dem ach so schön eingerichteten Leben einen durchaus ganz anderen Drive gibt. Ammar ist fertig mit dem Studium und nach einer Diskussion um eine gemeinsame und vor den Familien geoutete Zukunft auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Und während zwischen Opa und Enkel eine nie geahnte Nähe entsteht, reift in Timo die Entscheidung, seinen Jordanier nicht einfach so aus seinem Leben verschwinden zu lassen. Er will ihn suchen, finden und ihm sagen, was er fühlt.

Im Querverlag ist der Roman „Die Schützen“ von Thomas Mohr erschienen. Stets im Wechsel erzählt der Autor in seinen Kapiteln die Geschichte der Gegenwart und die Ereignisse des Krieges. So erhält jede dieser Lebenslinien ihren eigenen Rahmen, um sich im weiteren Verlauf in der Person des Großvaters zu verbinden.

Thomas Mohr strapaziert seinen Leser auf den 336 Seiten nicht mit blumigen Schilderungen und auch nicht mit übermäßigen Details. Mit seinen geradlinigen Beschreibungen liefert er genau so viele Informationen, wie man als Leser braucht, um sich den Ort der Handlung oder die entsprechenden Protagonisten bildlich vorzustellen. Gerade in den Schilderungen aus den Kriegstagen macht er deutlich, wie selektiv die Wahrnehmung der einzelnen Persönlichkeiten ist. So treten Kriegsschauplätze und historisch bekannte Fakten aus der damaligen Zeit und auch aktuelle Geschehnisse der Zeit von 2001 hinter die persönlichen Erlebnisse zurück. Jene bilden nur den Rahmen bzw. den Hintergrund für die einprägenden Erlebnisse seiner Hauptdarsteller.

Der Autor überlässt es schlussendlich seinem Leser, sich nach dieser Lektüre näher mit den Kriegsgeschehnissen auseinander zu setzen oder diese mit dem Schließen des Buchrückens wieder aus dem eigenen Leben zu verbannen. Und gerade dieser Kunstgriff macht „Die Schützen“ zu einem wirklich lesenswerten Buch.

Thomas Mohr: Die Schützen, Querverlag, broschiert, 360 Seiten, ISBN 978-3-89656-226-5, 16,90 €

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