Kultur
   8 Jahre
Foto: Sabine Klem ©2016

Die Teddy Awards 2016

Die Teddy Awards 2016 wurden zum 30. Mal verliehen und dabei gab es viele emotionale  Momente. Die Filme dieser queer list der Berlinale geben immer einen guten Ausblick auf das lgbtiq-Filmjahr. Sie kommen aus aller Welt und zeigen, wie unterschiedlich die queere Emanzipation und ihre Themen an den verschiedensten Orten dieser Welt ist.

Der einzige Teddy, der schon vor der Preisverleihung bekannt war, ist wie jedes Jahr der Special Teddy, der für besondere Verdienste um queeres Filmschaffen vergeben wird. Dieses Jahr wurde damit die US-amerikanische Filmproduzentin Christine Vachon ausgezeichnet. Zusammen mit ihrer Partnerin hat sie die Produktionsfirma “Killer Film” gegründet und in den letzten zwanzig Jahren viele gefeierte Spielfilme des Independent-Kinos produziert, u.a.: “Far from Heaven” (4 Oscar-Nominierungen), “Still Alice” (Oscar-Gewinner), “Boys Don´t Cry” (Oscar-Gewinner), “One Hour Photo”, “Kids”, “Hedwig And The Angry Inch” (siehe Interview mit Wieland Speck), „Velvet Goldmine”, “I Shot Andy Warhol”, “I´m Not There” (Oscar-nominiert), “Kill Your Darlings”, “Magic Magic” und in Deutschland noch im Kino mit Kate Blanchett und Rooney Mara “Carol”. Außerdem hat Christine Vachon die Emmy und Golden Globe-prämierte Fernseh-Miniserie “Mildred Pierce” für HBO produziert und eine bald erscheinende Serie über das Leben von Zelda Fitzgerald.

Die andern Teddys wurden von denen vergeben, die alle Filme der diesjährigen queer list gesehen haben. Neben dem Publikums- und dem Lesepreis gibt es vor allem die Teddy-Jury, die sich wie jedes Jahr aus internationalen „programmern“ von queeren Filmfestivals weltweit zusammen setzt: Litauen, Rumänien, USA, Mexiko, Großbritannien, Uganda, Taiwan, China und aus Deutschland vom Internationalen Queer Film Festival Hamburg.

Den Teddy für den besten Spielfilm erhielt der österreichische Film „Kater“ von Klaus Händl. Dieser Film ist tatsächlich außergewöhnlich in der Darstellung einer schwulen Liebesbeziehung, ihrer Sexualität, und ihres Ringens um Vertrauen im Widerstreit zwischen dem Bedürfnis nach Nähe und einem Zuhause miteinander, und einer vielleicht im inneren lauernden unkontrollierbaren Gewalt. Die Begründung der Jury wies für viele irritierend darauf hin, dass es überraschend ist, dass der Film nicht von Lesben handelt. Wer den Film gesehen hat, versteht, was für eine ungewöhnliche Emanzipation von der klassischen Rolle Mann hier gezeigt wird. Die Jury begründet u.a. weiter: „Das Resultat ist ein packender und verwirrender Film, der zum Nachdenken anregt.“

Der Teddy für den besten queeren Dokumentarfilm ging an „Kiki“ von Sara Jordenö.
25 Jahre nachdem „Paris is Burning“, Teddy-Gewinner 1991, dem Berlinale-Publikum die Ballroom-Szene in New York nahe brachte, überzeugen auch die Nachfolgenden.
Die Teddy-Jury begründete ihre Preisverleihung: „Uns wird ein intimer Zutritt gestattet in die Leben junger Vogue-Tänzer, die, wie ihre Vorgänger, selbstgewählte Familien innerhalb eines Netzwerks von Häusern erschaffen. Aber anders als ihre Vorgänger, überleben sie nicht einfach nur – sie blühen auf. Durch ihre intensiven Auftritte demonstrieren diese jungen people of colour, dass gender ein breitgefächertes Spektrum ist und dass es im Leben wichtig ist, sich neu zu erfinden.“
Die Regisseurin las die Nachricht ihres Co-Autors Twiggy Pucci Garçon von ihrem Handy vor: „Growing up in Virginia, I was this skinny feminine Mamas boy, who loved church and loved art. I never imagined of moving to New York City, I never imagined being part of ballroom, I never dreamed I would make a film, and I never imagined myself being actually an artist, and I never imagined loving myself. Today I stand in spirit beside my sister Sara as an activist and advocat and artist whose work is valued and appreciated. Creating Kiki was the healing process that will forever change my life.“
Und von ihnen beiden sagte Sara mit Freudentränen: „Thank you to the Kiki scene and thank you to everybody at the Berlinale for loving Kiki and this collaboration... thank you for making us part of political cinema history.“

Mit dem Special Jury Award wurde der chilenische Film „Nunca vas a estar solo“ („You will never be alone“) von Alex Anwandter ausgezeichnet.
Die Begründung der Jury war u.a.: „Eine phänomenale Leistung eines Erstlingsregisseurs und Screenwriters, der den Gedanken, dass “Nicht der Homosexuelle pervers ist, sondern die Gesellschaft, in der er lebt” erforscht. YOU WILL NEVER BE ALONE zeigt auf empfindsame Weise gender fluidity aus verschiedenen Perspektiven.“
Dieser Film ist wirklich stark in seiner berührenden Wirkung. Er zeigt nicht nur schonungslos die Perfidie und grausame Gewalt der homophoben Bekannten des Jungen, der sich getraut hat, er selbst zu sein, und seine schwule Sexualität mit einem Partner auch auszuleben, der mit den Homophoben befreundet ist. Der Film zeigt auf der anderen Seite auch große zwischenmenschliche Freundschaftsliebe, die der Gewalt eine Vision entgegensetzt, und einen Vater, der für diesen seinen Sohn ohne viele Worte eintritt und dafür sogar bereit ist, selbst alles aufzugeben. Stark ist auch, wie der Film mit filmischen Mitteln gerade nicht zeigt, sondern nur empfinden lässt, wie ein vielversprechendes junges Leben zerstört wurde. Der Regisseur selbst deutete bei der Zeremonie erschüttert an, dass der Film nicht nur auf einer wahren Begebenheit beruht, sondern, dass obwohl, diese durch die Medien gegangen war, es gerade am Tag der Teddy-Verleihung ein weiteres Hassverbrechen in Chile gegen einen jungen schwulen Mann gegeben hat. Hinterher erzählte er, dass er nicht die Feierstimmung verderben wollte, und deshalb nicht erzählt hat, dass derjenige erschossen worden war und nicht überlebt hat.
Für den Kontext homophober Gewalt hat in einer der Reden Wieland Speck, der Daddy of the Teddy, auf den von James Franco produzierten Film „Goat“ hingewiesen, der im Panorama lief, und der die Gewalt, zu der die Elite weißer junger Männer über Studentenverbindungen erzogen wird, entlarvt. Auch Berlins aktueller Bürgermeister Müller, sowie natürlich traditionell Berlins schwuler Bürgermeister a.D. Wowereit haben die noch lange bestehende Notwendigkeit der Teddys betont. Die Generalsekretärin von Amnesty International hat dazu explizit und sehr konkret von der Situation von vielen queeren Menschen weltweit gesprochen, die fliehen müssen, und wie wichtig es ist, dass wir alle uns dafür einsetzen, dass diese Flüchtlinge mit Special Needs besonderen Schutz bekommen.

Keinen Teddy aber den grossen Preis der internationalen Jury der Berlinale Sektion Generation KPlus für den besten Langfilm, im Wert von € 7.500, gestiftet vom Deutschen Kinderhilfswerk, erhielt „Rara“ von Pepa San Martín aus Chile. Ein Film der einfühlsam und komplex von einem Mädchen erzählt, das seine Regenbogenfamilie eigentlich als Selbstverständlichkeit begreift, durch die aufwühlenden Gefühle der Pubertät in einer homophoben Umgebung aber Schwierigkeiten bekommt, zu ihren lesbischen Müttern zu stehen, und dabei in eine Lawine von Reaktionen der homophoben Umgebung gerät, die für sie, ihre kleine Schwester und ihre Mütter herzzerreißend ist.
Chile hat sich dieses Jahr also gleich mit zwei Filmen als homophobes Land mit einer wirklich starken queeren Kultur positioniert.

Den Teddy-Publikumspreis erhielt der französische Film „Theo et Hugo dans le meme bateau“ („Paris 05:59“) von Oliver Ducastel und Jacques Martineau, der von zwei jungen Männern erzählt, die in einem Sex-Club aufeinander treffen, und anschließend auf den leergefegten Straßen des nächtlichen Paris von ihrer gegenseitigen Suche nach ihrer Nähe tief verunsichert werden.

Die Lese-Jury des Magazins Männer vergab ihren Preis an den Spielfilm „Mãe só há uma“ („Don’t call me son“) von der Brasilianerin Anna Muylaerts, die bereits in 2015 den Panorama-Publikumspreis für ihren Speilfilm „Der Sommer mit Mama“ abgeräumt hat. „Mutter hab ich nur eine“ ist eine queer wie quere Geschichte über Identitäten und Familie, die mit ihren Ungewöhnlichkeiten auch dazu einlädt, sich gut und intelligent zu amüsieren. Der einzige wirklich bittere Wermutstropfen, der erstaunlicherweise kaum jemandem auffällt, ist, dass der einzige farbige Mensch in diesem brasilianischen, von Menschengruppen oft überquellenden Film eine schwarze Hausangestellte ist, die überhaupt keine Rolle spielt, außer stumm die Töpfe zu verschieben.

Ein wildes Kleinod ist der mit dem Kurzfilm-Teddy ausgezeichnete Film „Moms on fire“ von Joanna Rytel, der als Knetfilm Mythen entlarvt. Begründung der Jury: „Weise Worte von hässlichen Babies. Heterosexuelle Frauen, die aneinander herumfummeln. Schwangere Frauen, die masturbieren. Mit augenzwinkerndem Humor und einem herausstechenden Knetanimationsstil, überwirft MOMS ON FIRE Mutterschaftsmythen und die konventionelle Repräsentation des weiblichen Körpers. Regisseurin Joanna Rytels groteske, feministische Vision zieht einen queeren Strich durch unsere Vorstellung der Regenbogenfamilie.“

Die Verleihung der Teddys ist bis einschließlich 22.3.2016 noch auf Arte online zu sehen:
http://cinema.arte.tv/de/artikel/die-30-internationalen-teddy-awards-lin...

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