Kultur
   3 Jahre
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Eurovision Song Contest 2021 im Soundcheck

In dieser Woche feiert der Eurovision Song Contest sein großes Comeback. Nachdem der Musikwettbewerb im letzten Jahr bedingt durch die Corona Pandemie ersatzlos gestrichen wurde, ist er 2021 mit einigen wenigen Einschränkungen in voller Blüte zurück.

Unter dem Motto „Open Up“ werden in diesem Jahr insgesamt 39 Länder an den drei Veranstaltungen teilnehmen, die am 18. Mai (1. Halbfinale), 20. Mai (2. Halbfinale) und 22. Mai in der Ahoi Arena Rotterdam ausgetragen werden. Die Niederlande sind weiterhin Gastgeber, nachdem Duncan Laurence den letzten ESC 2019 mit seiner Ballade „Arcade“ für sein Heimatland gewinnen konnte. Durch einen TikTok Trend konnte „Arcade“ seit Ende 2020 zahlreiche neue Fans hinzugewinnen und erfreut sich seitdem einer großen neuen Popularität. Der Song platzierte sich dadurch sogar als erster ESC-Song seit 1976 in den US Billboard Charts und gilt inzwischen auch als der meistgestreamte Song der ESC-Geschichte.

Nach der Absage des ESC 2020 wurde von der Europäische Rundfunkunion (EBU) bekanntgegeben, dass die eingereichten musikalischen Beiträge im nächsten Jahr nicht wiederverwendet werden dürfen. Ein Großteil der Künstler*innen (24 von 41) hatte jedoch das Glück, dass sie erneut von ihren Ländern als Teilnehmer*innen für den kommenden Contest bestätigt wurden (z. B. Griechenland, Island, San Marino, Malta). Dort fehlten also lediglich die geeigneten neuen Songs, für die folglich eine recht lange Vorbereitungsphase zur Verfügung stand. Polen, Zypern und Deutschland hingegen begannen mit ihren internen Auswahlverfahren lieber wieder bei null und gingen dafür sowohl für Song als auch Künstler*in ganz neu auf die Suche. In Ländern wie z. B. Schweden, Dänemark, oder Norwegen, wo traditionelle, teils mehrwöchige Vorentscheidungs-Events den Fernsehsendern hohe Einschaltquoten bringen, wurden diese Auswahlprozesse wie gewohnt ausgetragen. Einige Künstler*innen stellten sich dabei erneut dem Wettbewerb und konnten diesen wieder für sich entscheiden (The Roop/Litauen & Uku Suviste/Estland), andere waren hingegen weniger erfolgreich (The Mamas/Schweden & Aksel/Finnland) oder gar nicht erneut im Teilnehmerfeld zu finden (z. B. Ben & Tan/Dänemark, Ulrikke/Norwegen). 

Musikalisch bietet der ESC 2021 als Resultat der verschiedenen Song-Künstler*innen-Auswahlen eine komplette Bandbreite von Pop über Balladen, bis hin zu Elektro, Rock, Spaß-Pop oder die angesagten 1980s Beats. Und auch das Chanson, was einen maßgeblichen Teil des früheren ESC-Namens in Deutschland darstellte, Grand Prix Eurovision de la Chanson, feiert sein Comeback. 

Die Pop-Fraktion wird in diesem Jahr erneut von Litauen und Island angeführt, die im letzten Jahr die haushohen Favoriten waren. Beide Länder bleiben dabei dem Stil der Vorgänger-Songs treu. Daði og Gagnamagnið werden Island mit dem Elektro-Pop-Song „10 Years“ vertreten, der nicht nur musikalisch sehr eingängig ist, sondern auch optisch mit einem durchchoreografierten Ensemble im kollektiven Eighties-Sweatshirt-Outfit vor einer knallbunten Kulisse einen hohen Wiedererkennungswert aufweist. The Roop für Litauen nehmen uns mit an einen Ort, an dem wir lange nicht mehr gewesen sind – die „Discoteque“. Hier ist ebenfalls alles kunterbunt, aber vor allem sehr clubbig und bewegungsfreudig. Insbesondere durch seine skurrilen Tanzeinlagen und das extravagante Outfit, wird der charismatischen Sänger der Band die Aufmerksamkeit der Zuschauer*innen vermutlich schnell für sich gewinnen. Daneben geht Zyperns Elena Tsagrinou bei „El Diablo“ keinen Packt mit dem Teufel ein, sondern bietet einen ziemlich gut durchdachten Pop-Song mit perfekter Choreografie, der insbesondere bei Fans von Lady Gagas „Bad Romance“ auf Begeisterung treffen müsste. Die für Griechenland startende Sängerin Stefania wuchs eigentlich im Gastgeberland Niederlande auf und durfte dieses schon 2016 mit ihrer damaligen Gruppe Kisses beim Junior Eurovision Song Contest vertreten. Nun tritt sie für das Heimatland ihrer Eltern mit der 80s-inspirierten Hymne „Last Dance“ an, die so modern klingt, dass sicher auch Dua Lipa ihre Freude daran hätte. In San Marino hat man die zur Verfügung stehende Zeit gut genutzt und sich mit erfolgreichen skandinavischen Songwriter*innen zusammengetan, die der italienischen Sängerin Senhit den Latin-Dance-Pop-Song „Adrenalina“ auf den Leib schneiderten, der sich gut in die Eleni-Foureira-„Fuego“-Galaxie einreihen kann. Zudem könnte es am ESC Abend eine Überraschung geben, wenn US-Star Flo Rida in Rotterdam auftauchen sollte und seinen für die Studio Version eingesungenen Rap-Part tatsächlich Live gemeinsam mit Senhit auf die Ahoi Bühne bringen wird. Noch mehr Uptempo-Pop gibt es aus Malta, das mit Junior Eurovision Song Contest Siegerin Destiny an den Start gehen wird. Ihr Song „Je me casse“ bietet neben Gospel-Elementen und 1920er-Jahre Charleston Beats geballten Frauen-Power, der mit einer starken Message verbunden ist. 

In diesem Jahr feiert der Rock ein großes Comeback beim ESC. Sowohl aus Italien als auch der Lordi-Heimat Finnland gibt es eine gute Portion an Schlagzeug- und Gitarrensound. Auch wenn das nicht sehr typisch für den ESC ist, sollte es keinesfalls unterschätzt werden, denn sowohl die italienischen San Remo Gewinner Måneskin als auch die finnische Band Blind Channel konnten mit ihren Beiträgen in ihren Heimatländern im Vorfeld riesige Erfolge feiern. Der finnische Beitrag „Dark Side“ erinnert mit seinen Sprechparts und dem melodischen Refrain an Linkin Park, während „Zitti e buoni“ von Måneskin eher in die Kategorie Glamrock eingeordnet werden kann und insbesondere vom Starappeal und der Authentizität der Bandmitglieder lebt. 

Ruhigere Klänge kommen dagegen aus Bulgarien, für das Victoria mit ihrer Ballade „Growing up is getting old“ an den Start geht. Das klingt nicht nur wie aus einer aktuellen Spotify-Playlist, sondern wird auch visuell auf einer sandigen Meeresklippe vor einem sternenklaren Nachthimmel äußerst kreativ in Szene gesetzt. Die Sängerin kann sich dabei voll und ganz auf die Stärke des Songs konzentrieren. Bei der Schweizer Ballade „Tout l’univers“ von Gjon’s Tears erleben wir ein modernes graphisches schwarz-weiß Staging, allerdings auch viel Ablenkung in Form einer Choreografie. Denn hier findet viel Bewegung zu einem sehr emotionalen Song statt, der rein musikalisch irgendwo zwischen dem letzten Siegersong „Arcade“ und einer intensiven Mylène-Farmer-Ballade angesiedelt werden kann. Neben der Schweiz setzt auch Frankreich wieder auf die französische Landessprache, wo wir mit „Voilà“ in die Welt der Chansons reisen können und dabei einen kurzen Édith Piaf Moment erleben dürfen. Im eleganten schwarzen Outfit vor dunkler Kulisse bietet Barbara Pravi eine starke Performance, die im laufe des Songs immer mehr an Dynamik gewinnt und dabei vor allem den Stimmumfang und die Ausstrahlung der Französin in den Fokus rückt. 

Bild: NDR

In Deutschland wurde auf eine Vorentscheidung-Show verzichtet und stattdessen die fröhliche Pop-Nummer „I don’t feel hate“ von Jendrik Sigwart intern ausgewählt. Der Musicaldarsteller erinnert dabei mit seiner Ukulele im Gepäck an vergangene Stefan Raab Auftritte und bietet mit einem Augenzwinkern drei Minuten Spaß, ohne sich dabei selbst zu ernst zu nehmen. Zu große Erwartungen sollten die deutschen Zuschauer*innen für ein hohes Abschneiden jedoch nicht haben, denn die Konkurrenz scheint den Contest in diesem Jahr sehr wohl ernst zu nehmen. Die Qualität an zeitgemäßen Songs ist in diesem Jahr so hoch wie nie zuvor und vermutlich ein Resultat aus der verlängerten Vorbereitungsphase, die viele Länder nutzen konnten, da in den meisten Fällen zumindest die Künstler*innen seit einem Jahr feststanden. Der eine herausstechende Beitrag existiert in diesem Jahr nicht, stattdessen gibt es über eine Handvoll potenzielle Siegesanwärter*innen. Dafür spricht beispielsweise ein reger Wechsel an der Spitze der Wettquoten. Für das Comeback des ESC klingt das nach viel Spannung und einem sehr unterhaltsamen Fernsehabend. Die einzigen kleinen Wermutstropfen sind zum einen die Abwesenheit von Australien, dessen Künstlerin Montaigne lediglich über eine vorab aufgezeichnete Live-Performance in den Sendungsablauf eingebunden wird. Zum anderen eine höchstens 20-prozentige Auslastung der Zuschauerkapazität, die je nach Corona-Lage im schlimmsten Fall komplett gestrichen wird. An der Stimmung vor den Bildschirmen wird dies aber hoffentlich nichts ändern.

 

Termine im Überblick:

18. Mai: Erstes Halbfinale Live ab 21.00 Uhr bei ONE

20. Mai: Zweites Halbfinale Live ab 21:00 Uhr bei ONE

22. Mai: Countdown für Rotterdam Live mit Barbara Schöneberger ab 20.15 Uhr bei Das Erste & One

22. Mai: Eurovision Song Contest Finale Live ab 21:00 Uhr bei Das Erste & One

Alle Sendungen können ebenfalls online bei eurovision.de gestreamt werden.

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