Kultur
   11 Jahre
Foto: Kirsten Lilli, Werke von Artur Rainer und Faiza Butt

Internationale Kunstbiennale Venedig 2013

Venedigs Kunstbiennale vom 1.6.-24.11.2013 ufert aus und erreicht trotzdem kaum ´das andere Ufer´. Dennoch ist die internationale Multiplayer-Großveranstaltung der zeitgenössischen Kunst im Gesamtkunstwerk Venedig intensiven Besuch wert. Die Biennale ist nicht nur bei schwulen und lesbischen BesucherInnen beliebt - es findet sich auch so manche queere Ikone ein: Tilda Swinton stand am offiziellen Eröffnungstag, wie alle anderen nicht Geladenen, ganz normal in der Schlange für den Einlass an.
 
Der nachfolgende Streifzug beleuchtet eine Auswahl des vielen Bemerkenswerten mit queerer Relevanz. Weiteres findet sich in der Rubrik: "Reise"
 
Die Weltausstellung zeitgenössischer Kunst – ein Rundblick
 
Quasi eingeschmuggelt hat Cindy Sherman den einzig auffälligen Beitrag mit queerer Relevanz in die von Massimiliano Gioni unter dem Motto „Der enzyklopädische Palast“ kuratierte Hauptausstellung. Denn Sherman hat ihrerseits über 30 KünstlerInnen eingeladen, darunter den junge Künstler Ryan Trecartin, der sich und FreundInnen in Fotos und Videos kollagenartig mit Versatzstücken der kommerzialisierten Iconographie inszeniert. Seine wilden neuen Zusammensetzungen spielen dabei so mit ´Geschlecht´, dass Geschlecht als Kategorie aufgehoben wird. Trecartin ist in der Kunstwelt für seine im Mainstream seltenen Ansichten bereits berühmt. Auch im queeren Kontext sind seine Inszenierungen herausragend. In einer Aufsehen erregenden Publikation im  Wmagazine hatte er zu seinen visuell ausufernden Arbeiten und seiner persönlichen Haltung Stellung bezogen: „I see people as being what their personality is at the moment of expression. I feel genitals hold us back a lot. Without a fixed Gender, one would be freer to adapt to changing situations.“ (W magazine 11/10)
 
In der diesjährigen, auch themabedingten, Flut von Arbeiten sind die queeren Elemente schwer zu finden und leider eher rar, und wenn dann auch eher in den sogenannten collateral events. Damit spiegelt sich, dass queere Positionen und KünstlerInnen eher im Underground zu finden sind – immer noch oder erneut? Auf Venedigs Kunstbiennale war es auch schon anders. Denn 2009 gewannen das schwule, in Berlin lebende, Künstler-/Kuratorenpaar Elmgreen&Dragset mit ihrer LGBTQ-Auswahl von Arbeiten und Künstlern zum Thema „Making Worlds“ den Goldenen Löwen. Doch dieses Jahr ist auch unter den nationalen Partizipationen nichts queer aufgefallen.
 
Die kollateralen Veranstaltungen – interessante Seitenblicke
 
In der Ausstellung „Future Generation Art Prize Venice 2013“, nahe ´Academia´, fand sich beispielsweise eine schwule Perle. Der Künstler Yan Xing ließ zu seiner symbolisierten Sex-Videoinstallation sechs Männer in dem üppig venezianischen Schlafzimmer vermeintlich einen Porno-Film drehen. Das improvisierte Stück entspinnt sich aus dem Warten auf den zweiten Darsteller. „Sweet Movie“ spielt mit dem Bewusstsein der Fiktion, und es war in der Tat durchaus deutlich, dass dieses kontinuierliche Improtheater den Schauspielern großen Spaß machte, was wiederum das Publikum erfreute.
 
DIE kollaterale Ausstellung – intime Blicke auf persönlich queere Strukturen
 
Die Kuratorinnen Karlyn de Jongh und Sarah Gold und der Künstler Rene Rietmeyer gelten mit ihrer Ausstellung „Personal Structures“ seit 2011 als heißeste Newcomer der Kunstmetropole Venedig. 
Das liegt vielleicht auch an ihrer Selbstinszenierung, bei der sie ihren Künstlern immer wieder auch Modell stehen, bzw. in deren Kunstwerken aktiv teilnehmen. So sind sie z.B. in ihrer eigenen Ausstellung auch in lesbischen Akten zu finden, deren fotografische Abbildungen der Künstler Arnulf Rainer in seiner typischen Art mit eigener Malerei ergänzt. Wirklich heiß ist dabei der reale Bezug zu ihrem Leben, denn die drei leben nicht nur gemeinsam für ihre Arbeit, sondern auch in einer Ménage-á-trois. Dem Art-Magazin sagte Gold: „Gemeinsames Essen mit Freunden erlaubt unsere Gesellschaft, gemeinsame Zärtlichkeiten aber nicht. Wieso nicht?“ De Jongh ergänzte: „ Wir wollen ein möglichst interessantes Leben führen. So wie Hermann Nitsch sagt: Bewusst leben.“ 
 
Die KuratorInnen mischen in ihrem Ausstellungskonzept berühmte Namen mit unbekannten. ´Zeit, Raum und Existenz´ ist das Thema unter dem sich die ausgestellten KünstlerInnen aus aller Welt in unterschiedlicher Art und Weise ausdrücken.
 
Darunter findet sich auch die Arbeit der pakistanisch-britischen Künstlerin Faiza Butt, die seit Beginn ihrer künstlerischen Karriere die Gender Debatte cross-kulturell thematisiert. Hier zeigt sie stilisiert schwule, angedeutet interkulturelle Begegnungen und Küsse auf A1 großen Leuchtkästen.
 
Last but not least ist die Fluxus-Künstlerin Yoko Ono mit ihrer provokant-feministischen Arbeit „Arising“ vertreten. Ono´s Song „Rising“ begleitet das Video, für das sie weibliche Silikonpuppen auf einem Scheiterhaufen in Venedig verbrennen ließ. In ihrem Song fordert Ono auf, Mut zu haben. Konkret ruft sie Frauen aus aller Welt auf, während der Biennale in einem anonymisierten Text ihre Verletzungen durch männliche Gewalt zu offenbaren und mit einem Foto ihrer Augen zu signieren und entweder vor Ort oder per email einzureichen: Siehe dazu die Ausschreibung "hier"! Dafür bekommt jede Teilnehmerin ein symbolisches Geschenk von Yoko Ono. 
Bei den bereits kurz nach der Eröffnung zahlreich aushängenden Offenbarungen war außer den Geschichten von Vergewaltigung und sexuellem Missbrauch auch die Anklage einer Transfrau dabei, die die psychische Gewalt von Männern und Frauen beklagt, die ihr tagtäglich entgegenschlägt.
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