Kultur
   14 Jahre
Foto: Billy & Hells

Melancholisch das Ding

Drei Jahre Auszeit hat sich die Band "Wir sind Helden" genommen, Sängerin Judith Holofernes ein zweites Kind bekommen und darüber eine neue Innerlichkeit entdeckt. Kurz vor Veröffentlichung des vierten Albums "Bring mich nach Hause" sprach sie mit Torsten Bless über die neue Melancholie in den Texten und eine Kindheit in Regenbogenverhältnissen.

Mit Ausnahme von zwei Stücken ist euer neues Album wesentlich ruhiger ausgefallen als der Vorgänger "Soundso", da gibt es keine hysterischen Stücke wie etwa „Endlich ein Grund zur Panik“...

Ja, die Hysterie habe ich da zu meiner vollsten Zufriedenheit abgefeuert, damit war ich dann erst mal durch. Man muss immer die Platte machen, die jetzt gerade raus muss. Die neue Platte kam aus einer ruhigen Zeit mit viel Nachdenklichem, auch so ein bisschen des Wundenleckens, wo man nach sieben Jahren des Unterwegsseins seine Verluste zählt und seine Sachen zusammensammelt. Die Texte sind schon aus einer Erschöpfung heraus entstanden, körperlicher wie seelischer gleichermaßen. Und dementsprechend melancholisch ist das ganze Ding.

Auch auf dieser CD faszinieren wieder deine Sprachbilder, in "Träume anderer Leute" heißt es etwa "Du schlafwandelst, du bravwandelst, du herdentierst, du schafwandelst den Schäfchen hinterher". Überfällt dich so etwas einfach?

Ja, das fliegt mir so zu. Dann schreibe ich so etwas auf und kicher mir eins. Die Sprache macht das mit mir, und ich mach dann mit. Ich will mich auch gar nicht dagegen wehren.

Hat das Kinderkriegen deine Art, Texte zu schreiben, verändert?

Ja, bestimmt, ich denke, dass garantiert mein Sendungsbewusstsein abgenommen hat. Kinder machen einen eher introvertierter, da entsteht ein Rückzugsbedürfnis, ein Bedürfnis nach Ruhe und Zeiten und Orten für sich. Ohne Kinder könnte man auf einen Rockstar-Modus schalten, das kann man nicht machen, wenn man Kinder hat.

Erweitert das Kinderkriegen vielleicht auch Horizonte, vielleicht auch, weil man herausfindet, was wichtig ist und was nicht?

Ja, das Gute ist, dass Kinder zu einer größeren Gradlinigkeit und Entschlossenheit zwingen. Mit Kindern merkt man, man hat nur ein gewisses Energiekontingent, ich bin ein Arbeitstier, kann auch mit sehr wenig Schlaf und mit sehr wenig Zeit für mich selbst auskommen, wenn die Sachen mich tragen, mich begeistern. Jetzt muss ich noch konsequenter die Sachen auswählen, auf die ich Bock hab. Die Frage ist jetzt nicht mehr, passt es zu uns, können wir das machen, sondern ob genug zurückkommt für die Energie, die ich da jetzt reingebe.

"Meine Freundin war im Koma und alles, was sie mir mitgebracht hat, war dieses lausige T-Shirt" heißt ein sehr auffallender Song auf dem Album, ist er nach einer wahren Begebenheit entstanden?

Ja, ist er. Die Freundin, der das passiert ist, muss eine wahre Armee an Schutzengeln – egal welcher Konfession – an ihrer Seite gehabt haben. Als ich das Lied geschrieben habe, hab ich selbst gedacht, das ist zu krass, zu dunkel, so unversöhnlich, dann hab ich es Pola vorgespielt und der hat auch gemeint, das kann man nicht bringen. Aber die Freundin fand das ganz toll und hat sogar gesagt, sie wäre traurig, wenn es nicht auf die Platte kommt.

 
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