Kultur
   14 Jahre
Foto: Indrek Galetin (EBU)

Wir sind Lena!

Wer hätte das gedacht? 28 lange Jahre nach Nicole gewinnt Deutschland wieder den Eurovision Song Contest. Unser Reporter Michael Blesser war für uns dabei.

Oslo loves Lena

Mal ehrlich! Hat daran noch jemand ernsthaft geglaubt? Zumindest die Deutschen in Oslo nicht. Obwohl uns die meisten Fans aus anderen Ländern während der beiden Probenwochen sagten, dass Lena in diesem Jahr den Sieg holen würde.
Aber der Grand-Prix-Fan an sich hat ja einen anderen Geschmack als der Otto-Normal-Zuschauer am Bildschirm. Dies mussten wir schon 2006 in Athen erfahren, als Texas Lightning mit "No No Never" nur den 15. Platz belegte.

Doch nicht nur die ausländischen Fans waren von Lena begeistert, auch die Norweger, die uns auf der Straße auf die 19-Jährige aus Hannover ansprachen. Selbst eine ältere Dame in der Straßenbahn kannte das Lied "Satellite" und wünschte uns viel Glück.

All dies versuchten wir bis zur Final-Show am Samstag zu verdrängen, so stellte jeder seine eigenen Spekulationen über den möglichen Gewinner des Abends an. Meine Eingebung, dass Weißrussland mit seinen Schmetterlingen den Sieg einfahren würde, wurde von allen belächelt. Vielleicht wird es doch Aserbaidschan, der Favorit der Buchmacher, oder Armenien? Oder gibt es einen Überraschungssieger mit Tom Dice aus Belgien mit seiner einfachen Ballade "Me and my guitar"?

Spanischer Flitzer

Gegen 20.00 Uhr betreten wir also mit einer gewissen Nervosität die Halle, mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass Lena vielleicht nicht ganz so chancenlos ist. Doch das ist erst mal überhaupt nicht wichtig, denn der erste Höhepunkt des Abends, wenn auch leider nicht im positiven Sinne, erleben wir schon beim zweiten Beitrag aus Spanien. Jeder fragt sich, ob der nach ein paar Sekunden die Bühne stürmende Mann im schwarzen T-Shirt zur Gruppe gehört oder nicht. Als der von der Security von der Bühne geholt wird, ist allen klar, dass dieser Vorfall wohl in die Geschichte des ESC eingehen wird.

Nicht der erste Vorfall dieser Art allerdings, 1964 gab es eine schon mal eine Aktion eines Zuschauers, der die Bühne mit einem Plakat mit der Aufschrift "Nieder mit Franco und Salazar" (zum Protest gegen die damals amtierenden Diktatoren in Spanien und Portugal) stürmte. So ist es nur mehr als fair, dass der hörbar beeindruckte Daniel Diges am Ende eine neue Chance bekommen soll.

Der Störer, der sich selbst den Namen "Jimmy Jump" nennt, ist kein Unbekannter in Spanien, er trat bereits mehrmals bei Fußballspielen oder bei Tennisturnieren in Erscheinung.

Beben bei Didrik, Gähnen bei Josh

Beim Beitrag aus Norwegen bebt natürlich die Halle. Der Support der einheimischen Zuschauer für Didrik Solli-Tangen erweist sich später als genauso erfolglos, wie der Versuch der norwegischen Presse, ihm und unserer Lena ein Verhältnis anzudichten.

Spannend für uns ist es zu beobachten, wie wohl die Performances der sogenannten "Big Four" aus Großbritannien, Frankreich, Spanien und Deutschland ankommen, da keiner von ihnen ja in den Halbfinals aufgetreten ist. Nachdem Spanien durch die ungewollte Störung von sich Reden gemacht hat, gibt es aus Großbritannien und Frankreich nichts Ungewöhnliches zu berichten. Der Auftritt von Josh mit dem Waterman-Titel "That sounds good to me" entlockte dem Publikum nur einen Höflichkeitsapplaus. Auf die spätere Frage, wie es sich denn anfühle, den schlechtesten Beitrag des Jahres singen zu müssen, entgegnete der etwas schüchtern wirkende Brite: "Einer muss ja Letzter werden."

Etwas mehr Zustimmung heimst da schon Jessy Matador für die Grande Nation ein. "Allez! Ola! Olé" ist auch die offizielle Hymne der französischen Fußball-Nationalmannschaft für die diesjährige WM in Südafrika.

Jubel dank Lena

Mit der Startnummer 22 betritt dann endlich die deutsche Kandidatin unter lauten "Lena Lena"-Rufen aus dem Publikum die Bühne. Jetzt hält es keinen deutschen Fan mehr auf den Sitzen. Und nicht nur die: Die ganze Halle klatscht während ihres Auftritts mit, und sie bekam am Ende der drei Minuten, neben Norwegen natürlich, den meisten Applaus.

So warten wir gespannt auf die Wertung. Nach der Bekanntgabe der ersten drei Ergebnisse sieht es nicht nach einem Triumph aus. Leise, still und heimlich übernimmt Lena irgendwann die Führung, was in der Halle aber niemand so richtig realisiert, da die Wertungstabelle auf den riesigen Anzeigetafeln sehr schlecht zu lesen ist. Auch wissen wir nicht, wie viele Wertungen noch ausstehen und ob rein rechnerisch der Sieg für uns noch zu nehmen ist.

Es dauert eine Weile, bis wir den zweiten deutschen Sieg nach 1982 realisiert haben, aber dann kennt der Jubel keine Grenzen mehr. Diesen Moment werden diejenigen, die ihn erlebt haben, wohl nie vergessen.

Darling Deutschland?

Neben dem Aspekt, dass Lena nun wohl eine große Karriere bevorsteht, hat dieser Sieg auch für den Eurovision Song Contest eine positive Wirkung. Es hat sich gezeigt, dass am Ende das Lied gewinnt, das von Reykjavik bis ins tiefste Sibirien und vom Nordkap bis Israel die meisten Zuschauer berührt. Allen angeblichen Punkteschiebereien der osteuropäischen Länder untereinander zum Trotz.

Bleibt zu hoffen, dass dies nun zum Ende der ewigen Diskussionen darüber führt, dass Deutschland in Europa so unbeliebt ist, und deshalb nie wieder gewinnen kann.
Freuen wir uns auf einen Eurovision Song Contest 2011 im eigenen Land, bei dem wir uns als gute und vorurteilsfreie Gastgeber zeigen können, so wie wir das schon bei der Fußball-WM 2006 im eigenen Land eindrucksvoll getan haben.

Wie heißt es so schön: Nach dem Grand Prix ist vor dem Grand Prix!

Mehr im Netz: www.eurovision.de und www.eurovision.tv
 

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