Reise
   11 Jahre
Foto: Kirsten Lilli, Werk von Yan Xing (mit den Schauspielern Baraghini, Zacchini, Pirotto, Fagan, Noaro, Tizianel)

Venedig im Jahr der Biennale

Die Themenausstellung „Der enzyklopädische Palast“ – ein paar seltene Blicke
 
Die kuratierte Themenausstellung findet im zentralen ´Pavillon` in den ´Giardini´ (Gärten) und in der Haupthalle des Arsenale statt und wird von einem/r jeweils berufenen KuratorIn unter ein Thema gestellt. Der diesjährige Kurator Massimiliano Gioni hat das Motto „der enzyklopädische Palast“ gewählt. 
Der Palast erweist sich als einer, der dem Anspruch der ´Enzyklopädie´ nicht wirklich gerecht wird, da in ihm so gut wie kein Platz für die von der Mehrheitsgesellschaft im Gender Abweichenden ist. Außer fehlenden ´anderen Ufern´ hat Gioni mit seinem Thema die Uferlosigkeit an sich bereits jedoch thematisiert, und sie manifestiert sich in einer Wahl von über 150 KünstlerInnen mit einer sich multiplizierenden, kaum zu überblickenden Zahl von Werken.
 
Die von Gioni eingeladene Meisterin der Selbstinszenierung Cindy Sherman hat dabei wiederum eine eigene Ausstellung kuratiert und ihrerseits über 30 KünstlerInnen ausgestellt. Unter diesen Arbeiten findet sich auch die einzige größere Ausstellung mit explizit queerer Thematik in dieser „Enzyklopädie mit blinden Flecken“: Eine raumfüllende Installation mit Videos des jungen Künstlers Ryan Trecartin als ein wildes Spiel mit Versatzstücken von verschiedenem Gender und kommerzialisierter Ikonographie innerhalb oder ´auf´ jeweils einer körperlichen menschlichen Repräsentation (siehe Kultur).
 
Interessant ist, dass Trecartin und die Arbeit des diesjährigen Löwen-Gewinners eine Verwandschaft im inhaltlichen Anspruch aufweisen: „Zuhören, Kommunikation, Austausch zwischen den Generationen und vor allem Freiheit“, das ist es worum es nach den Worten einer Tänzerin geht, die an der von Tino Seghal initiierten Performance teilnimmt. Seghal engagierte eine ganze Reihe sehr unterschiedlicher Leute von Kindern bis Senioren, Tänzer, Schauspieler und Menschen ohne derartige Vorerfahrungen, die bis November im Zentralen Pavillon durchgehend, in spontan wechselnden Konstellationen jeweils zu zweit bis zu dritt in einen Dialog mit ihrem ganzen Körper gehen, ohne dafür die klassische verbale Sprache zu verwenden. Dabei gehen sie von einem von Seghal vorgegebenen Repertoire von Versatzstücken von Lauten, Gesang und Choreographien aus, und sind dazu angehalten, einander zuzuhören, zuzusehen und entsprechend immer im jeweiligen Moment aufeinander zu reagieren.
Für diese Arbeit erhielt Tino Seghal den goldenen Löwen für eine „exzellente und innovative Praktik, die das Feld der künstlerischen Disziplinen erweitert“. 
Tino Seghal lebt in Berlin und beeindruckte bereits 2005 mit seinen Inszenierungen im deutschen Pavillon der Kunstbiennale Venedig, als er in einem vollkommen leeren Raum einige Akteure, die Besucher in Diskussionen zum Thema Marktwirtschaft verwickeln ließ.
 
Die Länderpavillons der Giardini – einige Einblicke
 
No Q found - vielleicht in der Fülle etwas übersehen? Bemerkenswertes gibt es dennoch genug.
 
Bemerkenswert ist beispielsweise, dass im Gegensatz zu anderen Länderpavillons der russische Pavillon seit Jahren immer eine jeweils interessante Ausstellung zu bieten hat. Dieses Jahr dürfen die Besucher mit Regenschirmen regnende Münzen sammeln und aktiv durch alle Stockwerke des Hauses in Umlauf bringen. Auf den Münzen dieser arbeit von Vadim Zakharov steht: TRUST UNITY FREEDOM LOVE
 
Der deutsche und der französische Pavillon sind dieses Jahr als Zeichen der deutsch-französischen Freundschaft getauscht. 
Für alle, die mit Musik etwas anfangen können, lohnt das Stehen in der Schlange für den Eintritt in den französischen Pavillon im deutschen Pavillon... ´Ravel Ravel Unravel´ von Anri Sala ist ein starkes Hörerlebnis mit interessanten Videos – von den beiden mit der linken Hand gleichzeitig Ravel spielenden Pianisten und ihrem individuellen Zeitversatz bis zur DJ-Künstlerin Chloé und ihrer daraus erschaffenen Kreation.
Im deutschen Pavillon sind die beiden neben der Mitte angebrachten Videos von Romuald Karmarkar sehenswert, die extremistische deutsche Positionen offenbaren: Sie zeigen öffentliche Auftritte der NPD auf der einen Seite und auf der anderen Seite die nachgestellten Predigten des fundamentalistisch-islamischen Haßpredigers von Hamburg, der Vertrauter von drei der vier Selbstmord-Attentäter auf das World Trade Center war, und gegen den in Deutschland nie ein Ermittlungsverfahren erhoben wurde.
 
Im rumänischen Pavillon findet sich eine weitere Dauerperformance: Maria Alexandra und  Pirici Manuel Pelmus´ immaterielle Retrospektive der Kunstbiennale von Venedig. In dem leeren Raum werden von mehreren Akteuren verschiedene Kunstwerke nachgestellt, unter anderem die Aktion von Santiago Sierra, der 2003 den spanischen Kunstpavillon nur von Bürgern mit spanischem Pass betreten ließ, so dass hier diesmal nur die Menschen mit rumänischem Pass hinein durften.
 
Im sogenannten nordischen Pavillon lässt die finnische Künstlerin Terike Haapoja in einer atmosphärischen Installation Bäume sprechen, indem sie den von ihnen verarbeiteten menschlichen CO2-Atem über technische Sensoren in Töne umsetzt.
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