HIV I: Michael Zgonjanin
Sommer 1983: "Shorts bestimmen das Bild in den Lokalen, wie die Dunkelräume das Verhalten. Kein Aids scheint zu schrecken - oder nur ein letztes Mal tun, was demnächst vielleicht wieder so weit weg sein wird, wie es schon einmal in den sechziger Jahren war? Kein Zweifel - über der Lederszene haben sich dunkle Wolken zusammengezogen." Prophetisch klingt das, was der heutige "Box"-Kollege Michael Zgonjanin im allerersten Homo-Guide "Köln von hinten" schrieb.
"Anti-Sex-Propaganda"
Und seine Voraussagen kamen nicht von Ungefähr. Im Jahre 1971 durchlebte Michael sein Coming-out, damals war er 16. Seit 1977 reiste Michael regelmäßig nach San Francisco, schon um 1979 herum tauchten erste rätselhafte Berichte über eine Amöbenruhrepidemie unter Schwulen auf, ab 1981 vermehrt Nachrichten über einen "Schwulenkrebs".
Gemeinsam mit anderen verbreitete er die beunruhigenden Infos hierzulande. In Köln vereinten Aktivisten aus der damaligen Gay Liberation Front (glf) und dem glf-Sozialwerk (das sich später in Sozialwerk für Lesben und Schwule umbenannte und heute Träger von Rubicon und anyway ist) ihre Kräfte mit der Uni-Klinik und dem Gesundheitsamt, um weiteres Material zu sammeln. Zu ihnen zählten auch Rainer Jarchow und Jean-Claude Letist. "Aber es war damals noch immer nicht im Bewusstsein der Szene angekommen. 'Das ist doch Anti-Sex-Propaganda, gerade jetzt, wo wir endlich frei leben können, kommen welche, die einem den Spaß kaputt machen wollen', hieß es bei einer Diskussion im glf-Zentrum."
Schon 1983 setzten sich in Berlin erstmals Aktive aus ganz Deutschland zusammen. Bei diesem Treffen entstand die "Deutsche Aids-Hilfe", in Berlin und München bildeten sich regionale Gruppen, am Rhein gründete sich die "Deutsche Aids-Hilfe Köln". "Das war noch ein sehr loser Verbund." Gerd Schreiber war der Erste, der Hilfe suchte, er starb wie alle anderen ersten Klienten sehr schnell.
So richtig Fahrt nahm die Arbeit erst auf, als 1985 der US-Filmschauspieler und Frauenschwarm Rock Hudson unter den Augen der Weltöffentlichkeit an Aids erkrankte und starb. Die Deutsche Aids-Hilfe in Berlin wurde zum Dachverband, die umbenannte Aids-Hilfe Köln zum lokalen Träger vor Ort. Auch politisch wurden wichtige Weichen gestellt. "Wir hatten das Glück, dass die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in Köln saß, es gab auch Kontakte zu Mitarbeitern aus dem Bundesgesundheitsministerium in Bonn, die hier in der Szene verkehrten." So wurde der Boden bereitet für wegweisende Modellprojekte.