Gleichstellung - geht da doch noch was?
Im Herbst war die Sache noch klar: CDU und CSU lehnten die Gleichstellung von Lebenspartnerschaften im Steuerrecht ganz ab (inqueery berichtete), die FDP gab den Kampf auf und setzte im Koalitionsausschuss stattdessen die Abschaffung der Praxisgebühr durch. Deshalb schrieb inqueery.de schon am 26. Oktober, dass es bis zur Bundestagswahl keine Gleichstellung mehr geben wird.
„Urteil des Verfassungsgerichts zügig umsetzen“
Nun scheint aber doch noch einmal Bewegung in die Sache zu kommen. Dafür gibt es gleich eine ganze Reihe von Gründen: Da ist zunächst das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Dienstag zur Adoption. Zwar ging es dabei nur um die Sukzessivadoption, bei der ein adoptiertes Kind des einen Lebenspartners auch durch den anderen Lebenspartner adoptiert werden kann, doch jedem Beobachter ist klar, dass damit das generelle Adoptionsverbot ausgehebelt werden kann. In Zukunft wird zuerst der oder die eine ein Kind adoptieren, ein paar Monate später dann auch der oder die andere. Und der Bundesregierung droht eine weitere Ohrfeige aus Karlsruhe: Keiner zweifelt daran, dass das Gericht auch die Gleichbehandlung eingetragener Lebenspartnerschaften im Steuerrecht verlangen wird. Präsident Andreas Voßkuhle sagte gestern beim Jahresempfang in Karlsruhe, dass das Urteil noch im ersten Halbjahr erfolgen könnte. Es gibt daher Stimmen in der Union, die dem Urteil zuvorkommen wollen. Der stellvertretende Unionfraktions-Vorsitzende Günter Krings ließ in der Rheinischen Post bereits einen Versuchsballon steigen: „Wir sollten das Urteil des Verfassungsgerichts zur Adoption jetzt zügig gesetzlich umsetzen. Ich gehe aber davon aus, dass sich die Stimmen mehren, die dieses Thema mit einer steuerlichen Besserstellung der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften verknüpfen wollen.“ Dies solle allerdings nicht für alle homosexuellen Paare gelten, sondern nur für solche mit Kindern.
Ein weiteres Argument ist der dramatische Stimmverlust der CDU in Großstädten: Nicht nur die OB-Posten in Stuttgart und Karlsruhe gingen verloren, auch der knappe Ausgang der Landtagswahl in Niedersachsen war ein Alarmsignal. Während die CDU landesweit 6,5% verlor, büßte sie in den fünf Wahlkreisen der Landeshauptstadt Hannover im Schnitt 7,5% ein, in Osnabrück waren es 7,6%. Ohne diese überdurchschnittlich hohen Verluste hätte Schwarz-Gelb die Landtagswahl gewonnen.
Der Bundesrat macht erheblichen Druck
Ganz wichtig ist eine Folge dieser Wahl, nämlich die rot-grün-rote Gestaltungsmehrheit im Bundesrat. Von hier wird im nächsten halben Jahr bis zur Bundestagswahl noch erheblicher politischer Druck kommen. Und damit geht es jetzt bereits los: Schleswig-Holstein und Bremen haben eine Bundesratsinitiative zur Gleichstellung im Einkommenssteuerrecht beschlossen. Und Hamburg geht noch einen Schritt weiter: Für die Bundesratssitzung am 22. März ist ein Antrag zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Partner angekündigt.
Unter besonderem Druck steht die FDP: Sie möchte nicht noch einmal während der CSD-Saison als diejenige Partei ausgebuht werden, die die Gleichstellung aus Koalitionsgründen verhindert. Deshalb hat Außenminister Guido Westerwelle auf seiner Facebook-Seite schon vorsichtig vorgeschlagen: „Die Politik sollte parteiübergreifend jetzt handeln.“ Volker Beck von den Grünen hat sogleich die Initiative ergriffen und die anderen Fraktionen zu Gesprächen eingeladen. Er schlägt vor, den Abgeordneten ihr Stimmverhalten frei zu geben. Dies steht aber nicht zu erwarten, zunächst einmal muss sich die Koalition darauf einigen, welche Themen sie noch vor der Bundestagswahl vom Tisch haben will. Die Union beispielsweise möchte Fortschritte beim Mindestlohn, damit die Opposition damit im Wahlkampf nicht mehr punkten kann. Die FDP könnte dafür die Gleichstellung bei der Einkommensteuer eintauschen. Man darf gespannt sein auf die nächste Koalitionsrunde Anfang März.
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