Kultur
   10 Jahre
Foto: Pro-Fun Media

Die Langsamkeit als Chance

Wer einen rasanten Film für einen aufgekratzten Tag sucht, über den man mit Freunden viel lacht und der schnelle Szenenwechsel und witzige Dialoge hat, der sollte „Pit Stop“ von Pro-Fun Media besser wieder weglegen, denn er würde enttäuscht. Wer aber einen einfühlsamen und leisen Film sucht, den man sich gern auch in lauer Sommernacht gemütlich einsam oder zweisam oder wie auch immersam ansehen mag, der greift zu. Langsamkeit und Ruhe sind das Maß dieser 80 Minuten.

Ort der Handlung ist ein kleines Kaff in Texas. Hier ist echt der Hund begraben. In diesem Paradies der Spießigkeit lebt Gabe. Er erzieht mit seiner Exfrau zusammen die gemeinsame Tochter und so kommt es natürlich zu den allseits üblichen Familienszenen mit Abendbrottisch und Kind-ins-Bett-bringen. Gabe ist den Weg vieler schwuler Väter gegangen, er hat sich erst spät eingestanden, dass er nicht auf Frauen steht. Da waren Frau und Kind aber schon da. Chuck, sein Ex, war zwar in der Familie bekannt, hat das mit dem Outing aber nicht durchgezogen, sondern ist samt eigener Familie einfach umgezogen. Immer wieder versucht Gabe, ihm am Telefon doch noch ein Treffen abzuringen, vergebens.

In diesem kleinen Kaff in Texas lebt auch Ernesto, der ebenso noch voll und ganz in seine Vergangenheit verstrickt ist. Sein Ex Luis lebt noch bei ihm im Haus, und fläzt sich da halt so rum. Er macht weder Anstalten auszuziehen, sein Studium wieder aufzunehmen oder sich einen Job zu suchen. Ernesto scheint eh kein Glück mit den Männern zu haben. Der Mann vor Luis verließ ihn wegen eines anderen. Seit einem Autounfall liegt dieser Ex gelähmt in einem Pflegeheim im Koma. Und es ist Ernesto, der alle paar Tage vorbeifährt und ihm etwas aus dessen geliebten Frauen-Magazinen vorliest.

Mit diesem Rattenschwanz an Vergangenheit bewältigen Gabe und Ernesto mehr schlecht als recht ihr Leben, ohne einander zu kennen. Die Tankstelle des Ortes und der angegliederte Supermarkt sind Dreh- und Angelpunkt dieses Films. Hier halten beide immer wieder, aber nie laufen sie sich über den Weg.

Mit steter Langsamkeit und Ruhe erzählt der Film von Regisseur Yen Tan den Aufbruch beider Männer. Jeder merkt langsam, dass etwas nicht stimmt und er sich eigentlich selbst auf dem Weg zum Glück im Weg steht. Und während Gabe es aufgibt, sich Chuck anzubieten und hinterher zu werfen wie sauer Bier, setzt Ernesto das erste Zeichen und wirf Luis plötzlich raus.

In klaren, aber teilweise auch romantischen Bildern setzen beide immer einen Fuß vor den anderen, auf dem Weg raus aus dem Schlamassel. Dieser Film ist nicht schnell, nicht laut und vor allem nicht witzig. Er ist langsam und verletzend, aber auch zärtlich und Hoffnung gebend.

So nimmt man dann auch die Hoffnung und die Fröhlichkeit aus den letzten Einstellungen dieses Filmes mit in das eigene Leben, ohne zu wissen, ob es wirklich etwas zu feiern gibt. Aber das ist eigentlich auch egal, denn eines ist nach diesem Film klar. Es braucht kein schneller, höher, weiter, witziger oder lauter, um einfach nur das Leben mit der Kamera einzufangen. Und ja, sogar in einem Kaff in Texas kann das schwule Leben schön sein.

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