Kultur
   13 Jahre
Foto: Michael Blesser

Michas ESC-Tagebuch, Teil 2

In den ersten Tagen beginnen die Proben um 10:00 Uhr. Also versuche ich relativ früh im Pressezentrum zu erscheinen. Am ersten Tag gelingt mir das noch. War ja früh im Bett. Aber für die nächsten Tage kann ich für nichts garantieren!
An der Endstelle der U78, die direkt neben der Esprit-Arena liegt, erklingen schon die ersten Töne aus der Halle. Aha, Polen. Im Pressezentrum angekommen suche ich mir einen Platz und richte mein Notebook an einem der 2.500 Workstations ein. Auf den zahlreichen Bildschirmen lassen sich die Proben in der Halle beobachten - und stelle fest, dass ich da erst mal nichts verpasse. Hebe mir den Gang in die Halle für später auf.

Hier mal kurz erklärt, wie die Proben eigentlich ablaufen: Jedem Land stehen zwei so genannte "Technikproben" zu - nach einem strikten Zeitplan. Die erste Probe dauert 40 Minuten, die zweite 30 Minuten. Diese "Technikproben" dienen dazu, die Mikrofone einzustellen, Kamera-Einstellungen auszuprobieren - und sich mit der Bühne vertraut zu machen. Die Moderatoren erscheinen hier noch nicht. Die bekommt man erst in Generalproben in der nächsten Woche zu sehen. Nach dem jeweiligen Testlauf haben die Künstler die Möglichkeit, sich die Aufnahmen anzusehen und können der Aufnahmeleitung noch Änderungswünsche vortragen. Anschließend folgt dann eine etwa 40-minütige Pressekonferenz.

Die Reihenfolge der Proben richtet sich nach der Auslosung der Startreihenfolge. Am ersten Tag proben die Länder aus der ersten Hälfte des ersten Halbfinales, das am 10.05. stattfindet. Am zweiten Tag sind die Länder aus der zweiten Hälfte des ersten Halbfinales dran. Am dritten Tag dann die Länder aus der ersten Hälfte des zweiten Halbfinales, das am 12.05.11 stattfindet, am vierten Tag letztlich, logischerweise (?!?!? Anm. des verwirrten Chefredakteurs), die zweite Hälfte des zweiten Halbfinales. Alle Klarheiten beseitigt (Ja! Anm. des verwirrten Chefredakteurs)?

Die Länder, die für das Finale bereits qualifiziert sind, proben am Samstag und am Sonntag. Das sind die so genannten "BIG 5": Großbritannien, Spanien, Frankreich, Italien und Deutschland. Die Länder der "BIG 5" sind automatisch fürs Finale qualifiziert, weil die das meiste Geld zur Finanzierung des Events beitragen. Demnach zahlt die ARD weitaus mehr als etwa das estnische Fernsehen. Die Höhe der Teilnahmegebühr wird letztlich aber nach einem bestimmten Schlüssel errechnet, den ausschließlich die European Broadcasting Union kennt.

Bei den Pressekonferenzen stellen sich die Künstler den Fragen der anwesenden Journalisten. Allerdings sind die Fragen im Großen und Ganzen immer wieder dieselben - und das gilt leider auch für die Antworten. Spannend ist da eher, ob die Promo-CDs direkt bei der Pressekonferenz verteilt werden oder ob man dem Delegationsleiter eine Visitenkarte mit seiner Fachnummer in die Hand drückt und darauf hofft, dass irgendwann das begehrte Stück dort auch liegt.

Man hat sich für die Variante mit den Visitenkarten entschieden. Gute Wahl. Bis vor einigen Jahren war es üblich, dass während der Pressekonferenzen die CDs von einem Mitarbeiter der jeweiligen Delegation verteilt wurden. Die Szenen, die sich hierbei abgespielt haben, lassen sich nur schwer beschreiben. Es ist bei weitem kein Geheimnis, dass die meisten Eurovision-Fans schwul sind. Von Schwulen sagt man in der Regel, sie hätten gute Manieren und gesittete Umgangsformen. Bei der Verteilung der erwähnten Promo CDs jedoch ist jede gute Kinderstube ganz und gar vergessen! Da wird geschubst, gedrängelt, gekniffen und - ja - mitunter auch geprügelt. Der unrühmliche Höhepunkt dieses Rituals fand sich dann im Jahre 2005 in Kiew: Stühle gingen zu Bruch, Tische brachen zusammen, Trennwände wurden regelrecht niedergerissen. Nachdem dann auch noch zwei Damen aus Mazedonien regelrecht an die Wand gedrückt und fast schon zerquetscht worden sind, hat man dieser Unsitte einen Riegel vorgeschoben. Eigentlich fast schon langweilig, sorgte solch ein Gerangel doch immer auch für eine ordentliche Portion Gelächter und reichlich Gesprächsstoff.

Viel passiert heute nicht mehr. Am Abend eröffnet der "Euroclub", der offizielle abendliche Treffpunkt für Journalisten, Fans und Teilnehmer. Meine Spannung wächst. Könnte spät werden - und somit dürfte mein Vorsatz, immer frühzeitig im Pressezentrum zu erscheinen, in Gefahr schweben. Ich werde berichten.
 

Michael Blesser ist Mitglied im Eurovision Club Germany e.V. und für uns unterwegs in Düsseldorf.

Das könnte dich auch interessieren
 
Schön, dass Du hier bist
Bitte melde Dich an, um diese Funktion nutzen zu können!

Passwort vergessen?

Noch kein Mitglied? Registrieren

Anmelden