Gesellschaft
   14 Jahre
Foto: Senatskanzlei Hamburg

Er ist dann mal weg

Das Private ist plötzlich doch politisch: Hamburgs Erster Bürgermeister Ole von Beust zieht sich am 25. August aus persönlichen Gründen aus dem Amt zurück. Eine Weile konnte er als modern-liberaler Großstadtpolitiker dem Bild der CDU im Norden eine neue Farbe hinzufügen. Nun stellt er plötzlich fest: es macht keinen Spaß mehr, 32 Jahre in der Politik sind genug. Eine ziemlich dünne Begründung für einen Rücktritt in Zeiten der großen stadtpolitischen Krise in Hamburg, Deutschlands zweitgrößter Metropole.

Gegenentwurf zu Wowereit

Ole von Beust war immer der Gegenentwurf zu seinem Hauptstadtkollegen Klaus Wowereit. Das kann man auch als Wohltat begreifen, so wie es auch angenehm war, dass er sich nie die arrogante Herablassung des Sozialdemokraten Henning Voscherau zu eigen machte, den viele Hamburger immer noch als den Prototypen eines hanseatischen Bürgermeisters empfinden. Von Beust war es einst gelungen, der SPD die Stadt abzutrotzen. Ein historischer Verdienst, dem freilich der schäbige Makel des Tabubruchs anhaftet.

Denn von Beust nutzte seine letzte Chance, Bürgermeister zu werden, indem er mit den Rechtspopulisten Ronald Barnabas Schill paktierte, der ihn später mit seiner Homosexualität und einem angeblichen Verhältnis zu Justizsenator Roger Kusch zu erpressen versuchte – vergeblich. Dass Homosexualität allein nicht mehr skandalisierbar ist, hatte diese traurige Aktion zwar bewiesen, dem Ersten Bürgermeister fiel hierbei jedoch kein Verdienst zu, außer dem vielleicht, jenen Politpsychopaten entlassen zu haben, der ihm zuvor noch als Steigbügelhalter diente.

Outing durch den Vater

Als Schwuler ist von Beust nie souverän aufgetreten. Er überließ es seinem Vater, ihn im Zuge des Schill-Skandals zu outen; Ole selbst trat nicht vor die Presse um zu sagen: Ja, ich bin schwul. Die Hamburger Journaille wusste dies ohnehin seit Jahren, ohne davon Gebrauch zu machen.
Der Erste Bürgermeister wurde mit der Zeit zwar lockerer, hielt sich aber an das ungeschriebene Gesetz der Hamburger Gesellschaft, deren vermeintliche Liberalität sexuelle Abweichungen toleriert – aber nur, so lange man sie nicht thematisiert. "Was zwei miteinander im Bett machen, geht niemand etwas an", lautet das Credo, dem sich auch von Beust verpflichtete. Eine homosexuelle Identität speist sich indes aus weit mehr.

Immerhin: Unter CDU-Alleinherrschaft schrieb von Beust als erster Landesfürst der Union im ins Regierungsprogramm, die Rechtsstellung von Lebenspartnerschaften verbessern zu wollen. Doch erst im Bündnis mit der Grün-Alternativen Liste (GAL) offenbarte sich, wie sehr von Beust seiner CDU einen liberalen Stempel aufgedrückt hatte – nicht nur zu deren Vergnügen. Doch es war in erster Linie das Verdienst der Grünen, dass beispielsweise die massiven Kürzungen im Aids-Bereich, unter von Beusts Alleinregierung durchgesetzt, wieder zurückgenommen wurden.

Überraschender Koalitionsvertrag

Der schwarz-grüne Koalitionsvertrag überraschte mit ein paar Spiegelstrichen und reichlich Symbolik – doch er enthielt mehr, als für Schwule und Lesben zuvor unter SPD-Führung in Hamburg je möglich erschien. Allein: das im Koalitionsvertrag vereinbarte Prestigeprojekt eines schwulen Jugendzentrums wird es auf absehbare Zeit wohl nicht geben – Finanzkrise!

Zurück bleibt nun eine Stadt, die finanziell und sozial leck geschlagen ist. Das eine halbe Milliarde Euro große Haushaltsloch darf nun der Nachfolger stopfen und sich daran die Finger verbrennen. Das Chaos um die sich Tag für Tag verteuernde Elbphilharmonie oder die HSH-Nordbank müssen andere ausbaden. Die soziale Desintegration zunehmender Teile der Bevölkerung, die sich in drastisch steigender Jugendgewalt manifestiert – ebenfalls kein Thema mehr eines Bürgermeisters, der sich zuletzt gerade diese Probleme zu Herzen nahm, in wohlfeilen Reden über das protzende hanseatische Bürgertum beschwerte –sich aber nun davonstiehlt. "Alles hat seine Zeit", lautete von Beusts Begründung für einen Rücktritt, der zur Unzeit eingereicht wurde.

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