Gesellschaft
   12 Jahre
Foto: Anna Paola Concia

Vatikan ist Ausland

Ein Land am Schulden-Abgrund, geführt von einem Ministerpräsidenten, der am 14. Oktober seine bereits 51. Vertrauensabstimmung nur knapp gewonnen hat, in unzählige Prozesse verwickelt ist und aus seiner Abneigung für Schwule und Lesben noch nie einen Hehl gemacht hat: Italien macht derzeit in der Welt keine guten Schlagzeilen.

Seit 2008 sitzt die lesbische Sozialdemokratin Anna Paola Concia im Abgeordnetenhaus, trotz mancher Rückschläge im Kampf um gleiche Rechte setzt sie unverdrossen auf den Wandel, wie sie im Interview mit Torsten Bless betont.

Wie würdest du den Allgemeinzustand der italienischen Politik unter einem Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi beschreiben?

Wir leben in einem Land, das feststeckt, ohne Wachstumsperspektive. Berlusconi ist verantwortlich für 20 Jahre Stillstand und Rezession. Wir sind ein großes Land, mit einer Menge Potenzial. Meine Landsleute haben mittlerweile sehr gut erkannt, dass es Zeit ist, eine neue Phase der Veränderung einzuleiten. Wir wollen ein neues Italien aufbauen, moderner und gerechter.

Im November 2010 machte Berlusconi weltweite Schlagzeilen mit einer öffentlichen Bemerkung, dass er sich gerne schöne Frauen anschaue, um sich von seinem Stress zu erholen, das sei besser, als schwul zu sein. Was sagt uns das über seine Denkweise?

Der Ministerpräsident hat hier ganz klar seine Homophobie und Frauenfeindlichkeit unter Beweis gestellt. Ein ernsthafter und verantwortungsbewusster Politiker hätte so etwas nie gesagt. Weil er auf diese Weise Homophobie legitimiert hätte. Ich erinnere daran, dass Italien als einziger Gründungsstaat der Europäischen Union bislang noch keine Gesetze erlassen hat, die die Rechte von Lesben, Schwulen und Transgendern und unseren Familien schützen.

Du bist selbst im Juli mit einem Gesetzentwurf nur knapp im Parlament gescheitert, der Hassverbrechen aufgrund von "sexueller Intoleranz" anerkannt und geahndet hätte. Hat dich das entmutigt? Oder erst recht zum Weitermachen angestachelt?

Ich werde weiter hart dafür kämpfen, dass das italienische Parlament ein Gesetz gegen Homophobie und Transphobie verabschiedet. Als die Abgeordnetenkammer meine Initiative ablehnt hat, bewies sie vor der ganzen Welt, dass sie hinter den Tätern und nicht den Opfern steht. Die italienischen Gesetze bestrafen bereits Hassverbrechen mit rassistischen oder religiös motivierten Hintergründen, aber nicht solche, die aufgrund der sexuellen Orientierung oder Gender-Identität begangen werden. Ich denke, das ist eine Schande für eine Demokratie.

Wie erlebst du das gesellschaftliche Klima gegenüber Lesben, Schwulen und Transgendern, sind deine Mitbürger schon weiter als die Regierung?

Die Gesellschaft ist weiter fortgeschritten als die Politik, ganz sicher. Die meisten Italiener haben keine Vorurteile, natürlich gibt es Ausnahmen, die wir bekämpfen müssen.

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