Kultur
   10 Jahre
Foto: Berlinale 2014

Berlinale 2014 und Teddy Awards

Im Rahmen der Berlinale wurden außer Bären auch wieder die Teddys vergeben, die weltweit bedeutendsten queeren Filmpreise. Auf der Queer-List zeichneten sich zwei Beziehungstrends ab: die floatenden Dreiecksbeziehungen der ganz Jungen und die besonderen Werte von Langzeitbeziehungen schwuler Männer. Daas spiegelte sich auch in der Preisen.

Der Teddy für besten Dokumentarfilm und der Publikumspreis der Berlinale-Sektion Panorama für den besten Dokumentarfilm gingen an „Der Kreis“ von Stefan Haupt (Foto). Der Film erzählt nicht nur berührend den Anfang einer lebenslangen Liebesgeschichte in den 50er Jahren, sondern auch Geschichte. Denn „Der Kreis“ war über Jahrzehnte lang ein Kreis von Schwulen in der Schweiz, und darüber hinaus war es die im gesamten deutschsprachigen Raum verbreitete Zeitschrift dieser Gemeinschaft. Der Film verwebt mit einer stark vermittelten Liebe für seine Protagonisten sehr klug in die nachinszenierten Szenen dokumentarisches Material. Er berührt vor allem auch mit dem Mut im Angesicht sich dramatisch steigernder Diskriminierung, die von einigen Schwulenmorden in eine polizeiliche Schwulenhetze mündete und die erst aufhörte, als die Polizei mit den 68erDemos anderes zu tun hatte. Besonderer Höhepunkt des Screenings war die Anwesenheit dieses Schwulenpaares Ernst Ostertag und Röbi Rapp.

Bemerkenswert war bei der diesjährigen Liste der Anwärter auf die Teddys auch, dass sich noch zwei Spielfilme um schwule Langzeit-Liebesbeziehungen drehten: „Yves Saint Laurent“ von Jalil Lespert stellt als Biopic über den berühmten Modeschöpfer seine mehr als 13 Jahre währende prägende Liebesbeziehung mit Pierre Berger in den Mittelpunkt. Die dramatische Liebesgeschichte zu dem Mann seines Lebens basiert auch auf der gemeinsamen Liebe zum künstlerischen Schaffen von Schönheit. Der Film erzählt von Höhen und Tiefen dieser Liebe, die vor allem auch geprägt waren von Yves Saint Laurents psychischer Hölle, von seinem Zusammenbruch bis zur Drogensucht. Die beiden Schauspieler erzählten, dass sie die Liebesgeschichte der beiden so intensiv berührt hat, dass sie bei den Szenen manchmal ungeplant weinen mussten, so dass sie es dann noch mal drehen mussten. Guillaume Gilles, der Pierre Berger spielt, wird übrigens noch in diesem Sommer in seinem eigenen Spielfilm im Kino zu sehen sein: „Mama und ich“ erzählt ein Coming-out, das auf einer Kindheit aufbaut, in dem die Mutter dem Sohn Mädchenkleider anzog.

Die zweite Langzeitgeschichte bei den Teddys, „Love is strange“ von Ira Sachs, erzählt von einem Schwulenpaar in New York, die nach fast 40 Jahren Liebesbeziehung ihre Partnerschaft offiziell eintragen. Der Preis dafür ist hoch, denn der an einer katholischen Schule angestellte Lehrer wird dafür entlassen, so dass sie als Folge ihre Wohnung nicht mehr bezahlen können.

Auch der einzige queere Film in der offiziellen Wettbewerbs-Sektion, „Praia do Futuro“ von Karim Aïnouz, erzählt von einem langen Zeitraum – von Anfang und Ende einer hier explizit sexuellen, schwulen Liebesbeziehung und von der Entwicklung der Beziehung zwischen zwei Brüdern durch den Wegzug des Einen von Brasilien nach Berlin. Der Film schildert dabei sinnlich-atmosphärisch die Angst und den Mut von Migranten in der „Unterwasserstadt“ Berlin, in der der brasilianische Regisseur seit langem lebt.

Der Gläserne Bär der Berlinale und der Else-Preis der Siegessäule-Leser/innen ging an „52 Tuesdays“ von Sophie Hyde – eine außergewöhnliche und unglaublich gut erzählte sowie auch stilistisch interessante Coming-Of-Age-Geschichte, die ein durch und durch que(e)rer Film ist: Der Film ist als Videobrief der Tochter angelegt, die ihre eigene Entwicklung beschreibt parallel zur Videodokumentation vom Prozess des Transitierens der Mutter zu einem Mann. Die Tochter sieht ihr transitierendes Elternteil ein Jahr lang nur jeden Dienstag. An den Besuch hängt sie heimlich ein eigenes erotisch experimentelles Treffen mit einem Mädchen und einem Jungen aus ihrer Schule. Die Jugendlichen erforschen mit fließendem Sich-Zeigen und Sich-Begegnen ihre eigene Identität und Sexualität, probieren sich aus und finden Trost in den Parallelen ihrer Erlebnisse mit Müttern, die ihnen nicht das geben können, was sie wollen.

An eine andere Coming-Of-Age-Geschichte, den brasilianischen Spielfilm „Hoje eu quero voltar sozinho“ /„The Way He Looks“ von Daniel Ribeiro ging der Preis der Berlinale-Sektion Panorama und der Teddy für den besten Spielfilm mit der Begründung, dass der Film dem Spruch „Blind ist die Liebe“ eine neue Bedeutung gibt. Der Film erzählt auch von einer Dreiecks-Freundschaft – hier jedoch zwei Jungen und ein Mädchen – und stellt als klassische schwule Coming-Out-Geschichte langsam und ruhig das vorsichtige Herantasten der beiden Jungen an ihre Liebe zueinander und ihr folgendes Coming-out in den Mittelpunkt.

Der Teddy-Jury-Award ging an „Pierrot Lunaire“ von Bruce LaBruce – eine dunkle Geschichte der Sehnsucht, der Liebe und der Transgression. Der Film beruht auf einer wahren Geschichte und ist die queercore Version des Musiktheaterstücks von Schönberg, bei dem er den gleichnamigen Gedichtzyklus von Albert Giraud vertonte, weil ihn die Schauspielerin Albertine Zahmke darum bat. Der Soundtrack des Films ist Demil Petroviçs Neuinterpretation von Schönbergs Musical, gesungen von Susanne Sachsse.

Der Special-Teddy-Award für das Lebenswerk ging dieses Jahr gleich an zwei Preisträger: Elfie Mikeschs aktueller Spielfilm „Fieber“ bestach dabei wie immer bei ihr mit geheimnisvoller Bildermagie und verbindet ihre eigenen schweren Kindheitserfahrungen mit der Neugier und Liebe zum Leben. In Rosa von Praunheims aktuellem Kurzfilm „Mario Wirz“ spricht der an Krebs erkrankte Dichter Mario Wirz bei einem Spaziergang mit seinem Freund Rosa von Praunheim eineinhalb Monate vor seinem Tod freimütig über die letzten Dinge, die Kraft der Liebe und die Kraft des positiven Denkens: „Lass uns leben!“

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