Kultur
   9 Jahre
Foto: Incubus Verlag

Eine Leiche taucht ab

Das Leben kann so scheiße sein. Und wenn eine Leiche in der Badewanne das nicht ist, was denn wohl dann? Richtig, wenn die Leiche auch noch plötzlich weg ist und alle einen für bekloppt halten. Manchmal braucht es einen richtig krassen Tiefpunkt, um den Bogen nach oben zu bekommen. Doch das ist jetzt wohl alles ein bisschen viel für Perry. Völlig geschockt und ratlos sitzt er im Treppenhaus. Und ausgerechnet der erste Mensch, der ihm über den Weg läuft, ist dieser kerlige Macho, Ex-Marine und Hetero Nick aus dem Appartement gegenüber.

Dieser Tag war auch nicht wirklich Nicks Freund. Scheidungspapiere, Job-Absage und nun noch dieses aufgelöste Jüngelchen zu seinen Füßen. Und zum Überfluss stehen plötzlich auch noch all die skurrilen Bewohner des Hauses schnell in der großen Halle und geben ihren Senf dazu. Als Perry dann nach einer Ladung Asthmaspray endlich was von einer Leiche in der Badewanne faselt, ist das Maß voll. Alle sind sich einig, da muss doch jemand mal nachsehen.

Nur um guten Willen zu zeigen, geht Nick los und natürlich liegt da keine Leiche in der Badewanne. Okay, ein paar verdächtige Schleifspuren in der Wanne sind da, ein leicht metallischer Geruch liegt in der Luft, ein Schuh auf dem Fensterbrett, aber dann werfen einige Detektivromane schnell ein komisches Licht auf den jungen Maler. Wie zu erwarten war, glaubt keiner, auch Nick nicht, an die Leiche, aber Perry besteht darauf und lässt die Polizei holen. Die findet erwartungsgemäß nichts, schließlich ist die Badewanne frisch geputzt und auch ansonsten alles sauber.

Das aber lässt Nick aufhorchen. Keine Spuren? Kein Schuh auf dem Fensterbrett? Das will er sehen. Und tatsächlich sieht die Wohnung nun in entscheidenden Details ganz anders aus, als er sie gesehen hat. Das wiederum lässt nur einen einzigen Schluss zu, die Leiche in der Badewanne ist doch möglich. Und wenn das so ist, was steckt dann dahinter? Soll er den Kleinen jetzt wirklich zu einer Nacht allein in der nun zugegebenermaßen unheimlichen Wohnung verdammen?

Diese Fragen sind nur die ersten beiden, die es für Nick und Perry zu beantworten gilt. Schnell wird klar, dass sich ein Krimi in ihrem Leben eingenistet hat, den es zu lösen gilt. Als dann auch noch weitere Menschen verschwunden sind, wird die Leiche in der Badewanne immer wahrscheinlicher. Und die Beschreibung einer Vermisstenanzeige passt laut Perry auch noch exakt auf die verschwundene Leiche. Aber wo kann die sein?

Das riesige alte Haus steht irgendwie auch mit dem Ganzen im Zusammenhang. Das Alston-Anwesen ist ein altes Herrenhaus, das nach Jahren in einzelne Wohnungen und Appartements aufgeteilt wurde. Ein Gangsterüberfall auf das Haus im Jahr 1932 kommt auch zutage. Dabei wurden Juwelen und Inventar im Wert von damals schon über einer Million Dollar gestohlen. Bis heute hat niemand diese sagenumwobene Beute je gefunden.

So nehmen Perry und Nick eine Spur nach der anderen auf und finden sich schnell in der Mitte eines gigantischen Geflechtes. Aber auch zwischen den beiden stehen Fragen, die beantwortet werden wollen. Liegt in Nicks tiefblauen Augen wirklich nur normaler Beschützerinstinkt oder blitzt da doch Begehren auf? Ist nur Perrys Wunsch der Vater des Gedankens, oder lag in der aufbauenden Umarmung von Nick doch mehr als Freundschaft?

Neben einem alten Haus, das seine Geheimnisse nur ungern preisgibt, begegnet man in Josh Lanyons Krimi vielen alt bekannten Stereotypen. Die kettenrauchende, abgehalfterte Vermieterin, der ehemalige Polizist im Ruhestand, die kauzige alte Miss und auch die alternde Diva dürfen alle nicht fehlen. Aber dieses alte Herrenhaus, das natürlich etwas außerhalb liegt, kann ja eigentlich auch gar keine „normalen“ Bewohner haben.

Lanyon macht sich nicht die Mühe, seine Leser mit aufwändigen und ausschweifenden Beschreibungen zu malträtieren. Er beschreibt die Geschehnisse und Schauplätze mit den klaren Augen eines Beobachters, der den Blick auf die zentralen Punkte leitet, ohne dabei in einen Tunnelblick zu verfallen.

In gepflegter Tradition einer Agatha Christie erschließen sich die Zusammenhänge zwischen den Beteiligten erst nach und nach, um am Schluss dann doch ganz anders zu sein. Mit Spannung begleitet man Nick und Perry durch die Bibliothek vor Ort, kreuz und quer durch das Land oder zum Showdown in ein dunkles Eishaus. So ist es nicht überraschend, dass am Schluss des Rätsels Lösung aus mehreren Teilen besteht. Einige davon waren nur Eingeweihten bekannt, andere lagen die ganze Zeit vor aller Augen.

Der Übersetzung merkt man das Bemühen an, dem englischen Sprachfluss Genüge zu tun, ohne den deutschen Leser zu vergrätzen. Ein gelungenes Lesevergnügen.

Josh Lanyon: Eine Leiche taucht ab, Incubus Verlag, Taschenbuch, 240 Seiten, ISBN 978-3981594881

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