Kultur
   14 Jahre

"Österreich ist schrecklich"

Seit 40 Jahren steht der schwule Schauspieler und Filmemacher PeterKern für Individualität und Unangepasstheit. Neben Rollen bei Fassbinder in "Faustrecht der Freiheit" oder "Despair" machte er sich vor allem mit seinen Regiearbeiten einen Namen. In "Initiation" inszenierte er nun Helmut Berger als alternden Schwulen, der auf einen jungen Neonazi trifft. Frank Brenner unterhielt sich mit ihm über die Situation Homosexueller in Österreich und seine Bewunderung für Helmut Berger.

Was hat sich nach Haiders Tod hinsichtlich der Rechtsradikalen in Österreich verändert?

Wir sind derzeit das einzige Land mit drei rechten Parteien! Noch nicht einmal in Deutschland ist das der Fall. Die ÖVP hat eine Innenministerin namens Maria Fekter, von der werden die Asylanten gleich nach ihrer Einreise wie Tiere ins Gefängnis gesperrt. Wir haben nun einen Klon von Herrn Haider namens Heinz-Christian Strache, der mit Sprüchen aufkreuzt, wie ich sie auch in meinem Film bringe: "Daham statt Islam". Er gehört zu denjenigen, die dafür gekämpft haben, dass Homosexuelle in Österreich nicht heiraten dürfen. Das Gesetz ist ja nun trotzdem durchgegangen, aber Schwule und Lesben dürfen nicht auf dem Standesamt heiraten, sondern müssen dazu ins Magistratsamt gehen. Sie werden also noch immer nicht auf dieselbe Stufe gestellt. Es ist ein Humus für Faschismus permanent in diesem Land.

Wie äußert sich das dann für Schwule im Alltag?

Ich glaube, dass die meisten Österreicher Homosexualität nach wie vor negativ gegenüberstehen. Der Homosexuelle selbst hat vielleicht mehr Freiraum gefunden, man versucht, sie auch als Wähler zu erreichen und politisch einzubeziehen. Die Schwulenorganisation HoSi Wien, wurde jetzt im Parlament für ihre hervorragende Arbeit in den letzten 25 Jahren ausgezeichnet - also es tut sich was. Aber das Land ist spießig, undemokratisch und schrecklich. Doch wir sind in Europa angekommen, das ist in Frankreich so, das ist in Deutschland so. Mein Film erzählt nicht nur ein österreichisches Problem, sondern ein europäisches.

Wie sind Sie bei der Besetzung auf Helmut Berger gekommen?

Zuerst wollte ich Mario Adorf für die Rolle, aber da gab es Probleme, weil die Produktionsgesellschaft darauf bestand, dass die Hauptrolle ein Österreicher spielt. Da kam ich auf Helmut Berger, den einzigen österreichischen Weltstar. Als ich ihm zum ersten Mal begegnete, war ich wie zur Salzsäule erstarrt. Vor meinem Auge sah ich ihn nackt vor mir in "Die Verdammten" - der schönste Mann der Welt! Ein glamouröser Mann der Exzesse, der das Leben umarmt hat, der sich nicht angepasst hat, einfach ein Mensch nach meinem Geschmack. Seine Augen sind noch immer die gleichen, das Gesicht ist natürlich schon viel älter, als ich es kannte. Und ich sagte: "Herr Berger, ich liebe Sie. Sehr wohl weiß ich, dass Sie ein grauenvolles Image haben, das interessiert mich aber nicht. Ich bilde mir immer meine eigene Meinung. Ich bitte Sie nur um eins: Machen Sie Ihre Eigenarten der Rolle zunutze." Und er war beim Dreh dann tatsächlich nicht ein einziges Mal besoffen, war hochkonzentriert und wir schafften alles in gerade mal 24 Drehtagen. Das ist meiner Meinung nach eine der ganz großen schauspielerischen Leistungen im Kino, die er da vollbringt.

Welche Projekte stehen künftig an?

Ich freue mich schon sehr auf "Mettray", den ich demnächst inszenieren will. Das Drehbuch wird der Büchner-Preisträger Josef Winkler schreiben. Ich bin schon lange sehr beeindruckt von Jean Genet, einem Jahrhundertautor, der die Liebe und Leidenschaft im Kriminellen sieht. Der hat einen Freund so sehr geliebt, dass er einen Mord dieses Freundes auf die eigenen Schultern nahm und dafür ins Gefängnis kam. Genet hat seine Jugend im Mettray verbracht, das war ein Heim für schwer erziehbare Kinder von 12 bis 18 Jahren, die ihr eigenes gesellschaftliches System aufbauten. Die Jungs heirateten untereinander, mordeten aber auch untereinander Winkler hat ein Buch geschrieben, "Das Zöglingsheft des Jean Genet", und das möchte ich gerne verfilmen zusammen mit der Originalbiografie von Jean Genets Jugend und zusammen mit unserer unbändigen, unangepassten Fantasie.


Initiation, Österreich/Deutschland 2009, Regie: Peter Kern, mit Helmut Berger, Harry Lampl, Melanie Kretschmann u.a., Kinostart: 23. September, blutsfreundschaft.at

Die inqueery-Kritik zu "Initiation" gibt's HIER.

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