Kultur
   14 Jahre
Foto: Billy & Hells

Melancholisch das Ding

In diesem Song schreibst du vom "Tunnelende" und dem "weißen Licht". In "Nichts was wir tun könnten" verwendest du ein ähnliches Motiv, da geht es um "einen Schlag, der mich erlöst und mich entlässt in unendliche Weiten für einen Blick auf die andere Seite". Woher kommt die Beschäftigung mit einem möglichen Tod?

Ich hab schon als Kind große Angst davor gehabt, dass mir nahestehende Familienmitglieder sterben.Irgendwann habe ich mich dem Buddhismus zugewendet, wo die Beschäftigung mit der Vergänglichkeit einen großen Platz hat und auch ein großes Versprechen enthält. Wenn man der grundmenschlichen Angst vor Trennung ins Auge gesehen hat, dann ist man mit allem durch. Wenn man Kinder hat, kann man damit aber wieder von vorne anfangen. Oder einsehen, dass man eh keine Chance hat. Mit Kindern ist der Zug zur Loslösung erst mal abgefahren. Die Liebe zu Kindern ist die verbindlichste, die man sich einhandeln kann. Aus der Nummer kommt man nicht mehr raus.

"Die Ballade von Wolfgang und Brigitte" handelt auch vom Eingehen von Verbindlichkeit in der Liebe und dann wieder doch nicht, um das Austesten der vielen Möglichkeiten, auch multisexueller Natur, da schlafen die beiden Titelfiguren gemeinsam auf Irenes Bauch, und zwischendurch liebt Dieter auch mal Reinhard. Wo hast du die Idee für diesen Song hergenommen?

Das war eine Anregung von Pola (Roy, Schlagzeuger der Band und Judiths Ehemann, die Red.), der irgendwann mal meinte, ob ich nicht ein Lied über die Szenarien meiner Kindheit schreiben will. Erst sagte ich, ich glaub nicht, dass ich das kann, das ist ein Thema für ein Buch, aber nicht für ein Lied. Aber dann hatte ich noch auf derselben Autofahrt die für mich zündende Idee, dass das keine Persiflage sein darf, sondern ein ganz aufrichtiges, ernsthaftes, respektvolles, unironisches Liebeslied sein muss.

Du bist ja in einer Kommune mit einer Mutter groß geworden, die in lesbischen Beziehungen gelebt hat...

Eine Kommune war das nie, sondern so eine Kommune-artige WG mit nicht ganz so viel Konzept, aber schon ordentlich Debatten am Küchentisch über die freie Liebe und Besitzansprüche und alles, was dazu gehört. Ich hab mit meiner Mutter allein gelebt, die hatte immer langjährige Freundinnen, die aber nicht bei uns gewohnt haben. Die waren natürlich ein großer Teil meines Lebens. Mit ihrer jetzigen Freundin ist meine Mutter zusammen, seit ich 14 bin, also seit 20 Jahren.

Wie ging es dir, wenn du andere, eher herkömmliche Familienmodelle in deiner Umgebung gesehen hast? Hast du etwas vermisst?

Nee, es war mir quasi in die Muttermilch gelegt, dass ich immer ein Lebenskonzept hatte, das anders war als das von anderen Leuten. Nach dem Umzug von Berlin nach Freiburg habe ich vielleicht noch ein bisschen mehr unter der Spießigkeit gelitten, Kinder wollen ja auch mal nicht so auffallen, da hätte ich manchmal lieber heterosexuelle Hippie-Eltern verteidigt. Aber ich bin sehr glücklich und froh über das, was mir die Zeit fürs Leben mitgegeben hat. Ich glaube, dass ich dadurch eine wirklich tief gefühlte, große Offenheit mitbekommen habe, und ein völlig selbstverständliches Wissen darüber, dass es verschiedene Wege zum Glück gibt.

Gerade wurde wieder die Öffnung des vollen Adoptionsrechts für schwule und lesbische Paare diskutiert, Politiker aus der Union lehnen das mit dem Verweis ab, dem Kindeswohl sei mit einem Elternpaar aus Vater und Mutter am besten gedient. Wie stehst du dazu aus deiner eigenen Erfahrung heraus?

Dazu habe ich eine ganz klare Meinung. Das volle Adoptionsrecht muss natürlich möglich sein. Ich finde es völlig selbstverständlich, dass Kinder liebende Eltern brauchen, egal welcher sexuellen Orientierung. Wenn es vielleicht mal schwierig ist, ein besonderes Familienkonzept nach außen zu tragen, wird das tausendfach dadurch wettgemacht, dass die Eltern einen bewusst ausgesucht haben - gerade wenn man sich anguckt, wie viele Kinder in Familien hineingeboren werden, die sie nicht haben wollen. Da ist ja erst mal ein wahnsinniger Liebesimpuls notwendig, um als schwules oder lesbisches Paar ein Kind zu adoptieren. Kinder brauchen liebevolle Bezugspersonen, die sie wirklich haben wollen, und sonst nüscht.
 

Das Album "Bring mich nach Hause" erscheint am 27. August bei Columbia Berlin/Sony. Mehr unter wirsindhelden.de

 
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