Gesellschaft
   12 Jahre
Foto: BZgA

Ohne meine Freunde hätte ich es nicht gepackt

Mit dem Satz "HIV-positiv und Freund sein?" ist er eines der Gesichter der bundesweiten Welt-Aids-Tag-Kampagne "Positiv zusammen leben" und zudem ein bekannter Blogger: Der 22-jährige Marcel aus Essen hat sich beim ungeschützten Sex vor zwei Jahren mit HIV infiziert und engagiert sich seitdem in der Präventionsarbeit. Im Interview mit Claudia Lindner betont er, wie wichtig Freundschaft in seinem Leben ist.

Marcel, du warst vor der Kampagne zum Welt-Aids-Tag auch schon als Rolemodel bei der "Ich weiß was ich tu"-Kampagne (IWWIT) der Deutschen Aids-Hilfe dabei. Warum engagierst du dich?

Ich will nicht, dass man über uns redet. Oft waren Promis wie Philip Lahm Gesichter solcher Kampagnen, ich habe mich davon aber gar nicht angesprochen gefühlt. Mir ist wichtig, dass man uns selbst sprechen lässt.

Was bedeutet dir deine Kampagnenbotschaft "HIV-positiv und Freund sein"?

Das Thema Freundschaft war und ist mir besonders nah, weil ich es ohne meine Freunde nach der Diagnose nicht gepackt hätte.

Als dir dein Testergebnis mitgeteilt wurde, hast du es deinen Freunden zunächst nicht erzählt. Warum?

Ich konnte nicht einschätzen, wie meine Freunde reagieren, was sie über HIV wissen und wie sie darüber denken, weil über das Thema eben kaum geredet wird. Und ich hatte Angst, dass ich Schuldzuweisungen bekomme und mich für meine Infektion rechtfertigen muss.

Welche Rolle spielt Freundschaft in deinem Leben?

Nachdem ich mich meinen Freunden anvertraut hatte, habe ich gemerkt, wie intensiv und hilfreich Freundschaft sein kann. Sie kann einem viel Last abnehmen! Als ich etwa zum ersten Mal zu einem HIV-Schwerpunktarzt gegangen bin, wusste ich überhaupt nicht, was da auf mich zukommt. Ein Freund von mir ist einfach mitgegangen und dieses Da-sein war so wichtig. Die Bedingungslosigkeit, mit der meine Freunde zu mir standen, war eine tolle Erfahrung für mich!

Wie haben deine Freunde auf deine Teilnahme an den beiden Kampagnen reagiert?

Damals wie heute unterstützen es alle voll und ganz. Für die IWWIT-Kampagne hatte ich mal einen Bühnenauftritt beim CSD in Essen. Wir haben Luftballons für die Verstorbenen steigen lassen, was sehr emotional war. Meine gute Freundin Alina war damals mit dabei, hat mich getröstet und war einfach für mich da.

Die aktuelle Kampagne ist fast allgegenwärtig. Wo siehst du im Zusammenleben zwischen HIV-Positiven und -Negativen den dringendsten Handlungsbedarf?

Tatsächlich bei der Anti-Diskriminierung, damit Betroffene ein normales Leben führen können. Die Meinung, dass es die Positiven gibt, die sich beim Sex infiziert haben und die anderen, die "Unschuldigen", ist immer noch weit verbreitet. Aber solch eine Sichtweise ist sehr hinderlich für die Prävention und für das Testverhalten, denn viele Menschen lassen sich nicht testen, weil sie wissen, welche Folgen eine solche Diagnose für sie haben kann. Prävention hat nur einen Sinn, wenn man ohne Diskriminierung und solidarisch über HIV und Aids reden kann.

Was erhoffst du dir von der aktuellen Kampagne?

Ich wünsche mir, dass möglichst viele Leute erkennen, dass nicht alles so ist, wie die Medien es einem erzählen. Viele wissen gar nicht, dass man durch Medikamente und Behandlungen auch mit HIV lange leben kann. Wir sind keine Todgeweihten und müssen kein trauriges Leben führen!
Außerdem hoffe ich, dass Leute sich mehr mit Diskriminierung befassen und sich für HIV-Positive einsetzen. Wenn nur ein Mensch durch die Kampagne von seinem Umfeld unterstützt wird, finde ich das schon sehr viel.

Welt-Aids-Tags-Kampagne "Positiv zusammen leben" im Web. Hier geht's zu Marcels persönlichem Blog.

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