Gesellschaft
   14 Jahre
Foto: Steffen Kugler/Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Regenbogenfreund abgetreten

Der Republik ist ihr Staatsoberhaupt abhanden gekommen. Mit Horst Köhler verliert die Community einen Bundespräsidenten, der sich gegenüber schwul-lesbischen Anliegen aufgeschlossen zeigte.

Neues Familienbild

Im März 2005 empfing der Bundespräsident eine Delegation des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland (LSVD) zum Gespräch, die Verbandssprecher regten an, doch auch mal ein gutes Wort für Regenbogenfamilien einzulegen.

Am 18. Januar 2006 kam Horst Köhler der Aufforderung nach: Beim Jahresempfang der Evangelischen Akademie Tutzing plädierte er in seiner Rede "von der Freiheit, Kinder zu haben", die sich stetig verändernden gesellschaftlichen Verhältnisse zur Kenntnis zu nehmen.

"Kinder auf das Leben vorzubereiten, partnerschaftliche Lebensentwürfe zu verwirklichen, das kann in ganz unterschiedlichen Strukturen gelingen: in der Ehe, in nicht-ehelichen und auch gleichgeschlechtlichen Familien, in Patchwork- oder Einelternfamilien." Auch wenn Köhler betonte, sein Leitbild bleibe – schon aus eigener guter Erfahrung – die Ehe mit Kindern, trug ihm sein Vorstoß heftige Kritik aus den Reihen der CSU ein.

Antidiskriminierung Hemmnis?

Noch im selben Jahr freilich zog er sich den Zorn auch von Lesben- und Schwulenverbänden zu. Im Juni 2006 erklärte Köhler in Stuttgart, das (zu diesem Zeitpunkt noch nicht verabschiedete) Antidiskriminierungsgesetz komme zum falschen Zeitpunkt. "Jetzt kann sich die Republik nicht erlauben, neue bürokratische Hemmnisse aufzubauen."

Betroffenheit über Anschlag

Als in der Nacht zum 16. Dezember 2008 das Mahnmal für die in der Nazi-Diktatur ermordeten Schwulen und Lesben im Berliner Tiergarten zum zweiten Mal in fünf Monaten zum Ziel eines Anschlags geworden war, ließ Köhler zur drei Tage später stattfindenden Mahnwache seine "Betroffenheit" übermitteln.

"Der Bundespräsident verurteilt Anschläge wie diesen auf das schärfste. Er würdigt das Engagement derer, die die Erinnerung an die Opfer der NS-Gewaltherrschaft wach halten. Dazu gehört auch, denen entgegenzutreten, die aus niederen Beweggründen Taten wie diese begehen. Darum ist auch die von Ihnen geplante Protestkundgebung wichtig."

Schweigen im Homo-Wald

Vor guten anderthalb Monaten, am 16. März, empfing das Staatsoberhaupt erneut Mitglieder des LSVD-Bundesvorstands im Schloss Bellevue. Im nach Verbandsangaben "angeregten Gedankenaustausch" kamen Themen wie Regenbogenfamilien, Homophobie und antihomosexuelle Gewalt und auch die Ergänzung des Grundgesetzes um einen Diskriminierungsschutz der sexuellen Identität zur Sprache, ebenso die Situation lesbischer und schwuler Jugendlicher und die Menschenrechtslage weltweit. "Der Bundespräsident betonte die Bedeutung von Vielfalt und ermutigte den LSVD ganz ausdrücklich, seine Themen weiter kontinuierlich in die Gesellschaft zu tragen", so die Verlautbarung.

Eine Sympathie, die auf der Gegenseite vielleicht nicht hinreichend geteilt wurde: Während aus allen Teilen von Politik, Medien und Gesellschaft Reaktionen eintrudelten, blieb es an der Homo-Front auch am Tag 1 nach Köhlers Rücktritt auffällig still: Der LSVD, sonst eifriger Zulieferer von Pressemitteilungen, ließ nichts von sich lesen, und auch die Lesben und Schwulen in der Union (LSU) mochten sich zum Abgang ihres Parteifreunds nicht äußern.

Den Wortlaut der Rücktrittserklärung gibt es hier

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