Leonardo als J. Edgar
Der "Titanic"-Star DiCaprio spielt den FBI-Chef Hoover oscarverdächtig.
Herr der Geheimakten
J. Edgar Hoover ist gewiss keine Figur, die man leichten Herzens sympathisch finden möchte. Hoover machte das von ihm gegründete und 48 Jahre lang geleitete FBI zum politisch autonomen Spitzeldienst der USA. Offiziell widmete man sich der Verbrechensbekämpfung, doch zunehmend steigerte sich der Boss in einen rassistischen und antikommunistischen Wahn, das Land mit allen, auch sehr schmutzigen, illegalen Mitteln, vor dem vermeintlichen Untergang bewahren zu müssen. Und doch schafft es Regisseur Clint Eastwood in seinem Biopic "J. Edgar", dass dieser Mann unser Mitgefühl erregt.
Hoover schnüffelte im Privatleben anderer und archivierte seine Erkenntnisse in geheimen, nur ihm zugänglichen Akten. Sein eigenes Leben hielt er bis zuletzt weitgehend geheim. Im Jahre 1972 starb er noch immer in Amt und Würden. Dem jungen schwulen Drehbuchautor Dustin Lance Black (Oscar-Preisträger für sein Script zu "Milk") genügen die wenigen bekannten Informationen, um dessen zerrissenes Verhältnis zur eigenen (vermuteten) Homosexualität und der lebenslangen, zwischen zärtlicher Nähe und schroffer Demütigung changierenden Beziehung zu seinem langjährigen Stellvertreter Clyde Tolson (Armie Hammer) greifbar zu machen.
Black und Eastwood vermeiden dabei zum Glück, lediglich eine Geschichtsstunde abzufilmen, und auch effekthascherische, grelle Sensationen sind nicht ihr Ding. Stattdessen konzentrieren sie sich auf eine differenzierte, eher leise und dennoch selbst über zwei Kinostunden spannende Charakterstudie, die von Leonardo DiCaprio ganz souverän getragen wird. Für ihn ist nach einer Golden-Globe- auch eine Oscar-Nominierung definitiv in Sichtweite, und für die Maskenbildner, die ihn glaubwürdig 50 Jahre altern ließen, allemal.
"J. Edgar", USA 2011, Regie: Clint Eastwood, Drehbuch Dustin Lance Black. Mit Leonardo DiCaprio, Naomi Watts, Armie Hammer, Judi Dench, Josh Lucas
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