Boulevard
   7 Jahre
Foto: Sabine Klem

Teddy Awards 2017

Genderübergreifend queerer Rückblick:

Ebenso kann sich die deutsche lgbti-Community auch was von der spanischen abkucken. Denn im Film von Andrea Weiss, „Bones of Contention“, der die spanische lgbti-Geschichte aufrollt, wird deutlich, dass es allein der Verdienst einer sehr aktiven und genderübergreifenden lgbti-Community ist, dass sich, nach der Diktatur Francos, Spanien innerhalb kürzester Zeit vom lgbti-repressivsten Land Europas zum rechtlichen Eldorado entwickeln konnte – auf den Pride-Demos allen voran die Transfrauen: trotz oder gerade nach zig mal Gefängnis (nur wegen ihres Genders!) – mutige, stolze, wahrhaft fantastische Frauen.

Eine solche ist auch die lesbische Ikone und Sängerin Chavela Vargas. Sie hat es auch dieser genderübergreifenden spanischen lgbti-Community, in dem Fall dem Freundeskreis um den Filmemacher Pedro Almodovar und seinem persönlichem Engagement zu verdanken, dass ihr die internationale Anerkennung im hohem Alter dann doch noch zukam. Nach Spanien und Frankreich wurde sie schließlich auch bei ihrer Rückkehr nach Mexiko in den größten Theatern bejubelt. Ihr Porträt im Film „Chavela“ von den US-Amerikanerinnen Catherine Gund und Daresha Kyi offenbart aber noch mehr. Z.B. dass ihre Freundinnen sie konsequent dabei unterstützt haben, dass sie nach einem halben Leben als schwere Alkoholikerin, die zweite Hälfte trocken leben konnte. Und: wie Chavelas Leiden-schaft alle erwischt, die Leiden und Leidenschaft kennen.

Diesem internationalen Trend eines Zusammenhalts zwischen den verschiedenen Gendern in der queeren Community, und dem aktuellen Interesse am „Weiblichen“ schliesst sich auch der schwule, kanadisch-deutsche Filmemacher Bruce la Bruce mit seinem quasi Double Feature „Ulrike´s Brain“ und „Les Misandrists“ (Die Männerhasserinnen) an. Letzteres ist eine völlig durchgeknallte Fetisch-Inszenierung, die sich durchaus als „Lesxploitation“ bezeichnen liesse und bestimmt umstritten wird. Doch Bruce hatte immer schon lesbische Freundinnen und hat ihnen diese Arbeit liebevoll gewidmet. Diese seine Haltung bleibt spürbar und eröffnet ein überraschendes Filmende mit überraschenden Perspektiven. Bereits Bruce´s Idee, Ulrike Meinhofs Gehirn als ein noch aktiv via Telepathie sendendes Gehirn als Ausgangspunkt für seine fiktive, lesbisch-feministische Revolution zu nehmen, inspiriert mit Humor zu kruden Tatsachen: Denn er bezieht sich darauf, dass Ulrike Meinhofs Gehirn tatsächlich über Jahre immer wieder neuropathologischen Untersuchungen unterzogen wurde. Ziel dieser zwischen den Jahren 1967 und ca. 2000 wiederholten „wissenschaftlichen“ Untersuchungen, war, Strukturen in ihrem Gehirn beweisen zu können, die einen Realitätsverlust belegen, der zu Terrorakten geführt hat.


(Foto: Greta Schiller (Produzentin) und Andrea Weiss (Regisseurin) von Bones of Contention)

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