Gesellschaft
   9 Jahre
Foto: ARD

ARD hat Ärger mit Themenwoche Toleranz

Am 15. November startet die ARD ihre Themenwoche Toleranz. Eine Woche lang kreisen viele Sendungen im Ersten und in den Radioprogrammen um dieses Thema. Eigentlich eine gute Idee, doch nun haben sich die Macher Ärger eingehandelt, weil ihre Werbeplakate das Gegenteil von Toleranz ausdrücken (Foto). So wird ein farbiger Mann gezeigt und dazu gefragt: „Belastung oder Bereicherung?“ Am meisten kritisiert wird das Motiv mit einem schwulen Paar und dem Text „Normal oder nicht normal?“.

Noch krasser fällt die Pressearbeit des Hessischen Rundfunks (HR) aus. Eine Sendung am 15. November wird beworben mit dem Text: „Ist sich das knutschende schwule Paar in der U-Bahn eigentlich bewusst, wie viel Toleranz es seinen Mitreisenden abverlangt? Und mit welcher Beharrlichkeit die muslimische Kollegin den Betrieb in der Kantine lahmlegt, weil sie unbedingt wissen muss, ob in dem Essen auch wirklich kein Schweinefett enthalten ist. Kurzum: Es bedarf schon einer gehörigen Portion Toleranz, um den Alltag zu überstehen!“

Am schlimmsten aber sind die Gäste, die sich in einigen Sendungen wieder unverblümt homophob äußern dürfen. Der katholische Publizist Matthias Matussek wird beim HR wie üblich Schwulen und Lesben grundlegende Menschenrechte wie z.B. das Recht auf Eheschließung absprechen.

Fast einhellig negativ ist das Echo in der deutschen Presse. Die Zeit schreibt: „Es gibt einen Grund, warum diese Fragen nicht genau so gestellt werden sollten: Sie sind eine Frechheit. Sie legitimieren und reproduzieren Assoziationsketten, die aufklärerisch im Sinn von 1950 sind.“ Die taz weist darauf hin, dass Toleranz schon seit langem viel zu wenig ist und stattdessen Akzeptanz verlangt werden muss: „Wer andere toleriert, glaubt, dass es ihm oder ihr zusteht, sich zu entscheiden, marginalisierte Gruppen trotz ihrer ‚Andersartigkeit’ zu dulden.“

Die ARD hat mittlerweile eine Stellungnahme zu der allgemeinen Kritik veröffentlicht: „An den Aussagen auf den Plakaten soll sich der Betrachter reiben. Intolerantes Verhalten wird oft von Äußerlichkeiten und Vorurteilen geprägt. Genau damit spielt die Kampagne. Wir wollen zur intensiven Diskussion anregen und zum Nachdenken über eigene Haltungen und Vorurteile. Eine gewisse Provokation haben wir dabei in Kauf genommen, jedoch sollte sich niemand persönlich verletzt fühlen.“ Vermutlich freut man sich in der ARD vor allem darüber, dass die Werbekampagne erfolgreich war: Die Themenwoche ist im Gespräch und wird sicherlich viel Aufmerksamkeit finden.

Auch der HR hat mittlerweile eine Stellungnahme veröffentlicht, in der er sich selbst entlarvt: „Der Text zielt selbstverständlich nicht darauf ab, einzelne Gruppen anzugreifen – auch wenn nachvollziehbar ist, dass bei isolierter Betrachtung einzelner Sätze ein solcher Eindruck entstehen kann.“ Natürlich spricht niemand dem HR die gute Absicht ab, entscheidend aber ist die Wirkung.

In verschiedenen Internetforen kursieren mittlerweile Parodien auf die Werbekampagne der ARD. So wurde der Text „Belastung oder Bereicherung?“ mit dem Porträt von Günther Jauch unterlegt, „Normal oder nicht normal?“ zeigt ein Bild von Florian Silbereisen und Helene Fischer.

 

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