Überregional
   11 Jahre
Foto: Blue Is The Warmest Colour / screencomment.com

Französische Revolution 2013

Der 26.5.2013 war ein Tag, der in die queeren Annalen eingeht: Die internationale Jury wählt in Cannes als besten Film eine lesbische Liebesgeschichte während 150.000 Reaktionäre in Paris gegen die Homoehe demonstrieren. Im Mai geht es in Frankreich heiß her um die Menschenrechte in Bezug auf die freie Wahl der Liebe.
 
Persönliche Zeichen
Am 29.5.2013 werden zwei Männer ein Zeichen für sich selbst setzen: Sie wollen in Montpellier Frankreichs erste vollkommen gleichberechtigte Ehe schließen.
 
Politische Zeichen
Auch im neuen Jahrtausend ist mitten in Europa das vermeintlich selbstverständliche Menschenrecht auf die freie Wahl der Liebe und ihre Gleichberechtigung noch lange nicht für alle sicher. 150000 demonstrierten am Sonntag in Paris vehement gegen das neu verabschiedete Gesetz zur Gleichstellung der Homoehe und wollen nicht aufhören dagegen zu protestieren. In einer, am selben Tag veröffentlichten Umfrage, sehen das 72% der Franzosen anders. Die Frage drängt sich auf: Glücklicherweise eine absolute Mehrheit oder „nur“ 72%?  In jedem Fall setzte Präsident Hollande ein klares Zeichen, als er das Gesetz trotz der andauernden Proteste unterzeichnete, und somit in Frankreich auch in Bezug auf die Adoption einen Rechtsanspruch auf gleiche Rechte für gleichgeschlechtliche Ehen gewährleistete. Im vermeintlich liberalen Deutschland ist das noch nicht in Sicht – trotz der expliziten Richtlinien der EU und der Entscheidungen unseres Bundesverfassungsgerichts. Und es bleibt für die Zukunft auch die Frage, warum eigentlich generell die Ehe gegenüber anderen Formen des menschlichen Zusammenlebens privilegiert sein soll? Vielleicht dürfen wir uns zukünftig an die Forderungen noch radikalerer Gleichberechtigung bei der Umsetzung der Menschenrechte erinnern und dafür einsetzen.
 
Kulturelle Zeichen
Ein großes Zeichen setzte - ebenfalls an diesem Sonntag – auf dem weltweit wichtigsten Filmfest in Cannes die internationale Jury um Jurypräsident Steven Spielberg mit u.a. Nicole Kidman, Christoph Waltz und Ang Lee: Der Film über zwei lesbische Frauen mit ihren jeweiligen Berufungen und ihre leidenschaftliche lesbische Liebesgeschichte unter dem Titel ´Blue is the warmest colour´, im französischen Original ´La vie d'Adèle´, von Abdellatif Kechiche mit Adèle Exarchopoulos und Léa Seydoux wird mit dem Preis für den besten Film ausgezeichnet. Die Jurymitglieder verfolgten nach ihren eigenen Angaben zwei Wochen keine Nachrichten, weil sie nur Filme sahen. Sie setzten nichtsdestotrotz oder vielleicht gerade deswegen mit der diesjährigen Goldenen Palme von Cannes in mehrfacher Hinsicht ein politisches Zeichen der für Unabhängigkeit stehenden und an den Fragen des Menschseins und der Menschlichkeit interessierten internationalen Filmkultur. Spielberg sagte, dass sich die Jurymitglieder „privilegiert und eingeladen fühlten, zu sehen, wie sich diese Geschichte tiefer Liebe zu tiefgehend gebrochenen Herzen von Anfang an entwickelt - in einer wunderbaren Weise bei der die Zeit stehen bleibt.“ Innovativ war dabei auch, dass erstmals in der Geschichte von Cannes, der Preis explizit auch mit an die beiden Hauptdarstellerinnen ging. 
 
Künstlerische Zeichen
Heiß geht es wohl auch im Film selbst her. Der Film erzählt eine leidenschaftliche lesbische Liebesgeschichte mit so expliziten Liebesszenen, dass der Film deswegen bereits Kontroversen hervorgerufen hat. Die Geschichte handelt von der zunächst 15jährigen Adéle, die sich berufen fühlt, Lehrerin zu werden, um ihre Leidenschaft für die französische Literatur weiterzugeben, und die an die große Liebe glaubt. Diese Liebe findet sie in Emma, die sich als Kunststudentin ganz der Kunst verschrieben hat. Erzählt wird dann die gemeinsame Zeit, und im Weiteren von der Trennung, die aus Klassenunterschieden erwächst, die sich langfristig zwischen den beiden nicht überbrücken lassen. Nur Adéles berufliche Leidenschaft lässt sie den Verlust überwinden. 
Der Regisseur widmete seinen Film ´der wunderbaren Jugend und ihrem Streben nach dem Geist der Freiheit´. Eine Comicromanvorlage hat den Regisseur inspiriert, die freie Wahl der Liebe so und nicht anders zu inszenieren. Er verknüpfte das Thema damit, diesen Film insbesondere auch denen zu widmen, die  ganz unspektakuläre HeldInnen sind, indem sie als LehrerInnen ihre Liebe und Begeisterung für Kunst und Kultur an ihre SchülerInnen weitergeben.
Der Film hat bereits einen deutschen Filmverleih, aber wann und unter welchem Titel er in unseren Kinos zu sehen sein wird ist noch offen. 
Die Vorlage des Filmes kommt jedenfalls auf englisch im Oktober 2013 auf den Buchmarkt: ´Blue Angel´ von Julie Maroh ist eine Graphic Novel. Der Comicroman, der wegen seines thematischen Anspruchs und seiner Komplexität nicht als Comic-Heft sondern nur als Buch erscheint, zeichnet eine bittersüße lesbische Liebesgeschichte, die wegen ihrer Komplexität, ihres leuchtenden Blau der blauhaarigen Emma und nicht zuletzt wohl auch wegen der direkten Erotik schon einige entzückt hat.
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