Gesellschaft
   13 Jahre
Foto: Alakbaroff

Keine Küsse auf der Straße

Hat sich die gesellschaftliche Haltung gegenüber Schwulen und Lesben über die Jahre gewandelt?

Fuad: Wie soll sich die Haltung verändern, wenn Fernsehen und Presse Homosexualität in Zusammenhang mit Krankheit und Prostitution bringen? Auf Facebook gibt es eine Gruppe "Stop homosexuality in Azerbaijan". Selbst im Parlament denunzieren die Senatoren einander als "schwul", um den Gegner zu diffamieren. Ex-Senator Ahad Abiyev hat immer gesagt, dass Schwule und Lesben krank sind und den Tod verdienen. Viele unserer Politiker teilen seine Ansicht.

Timur: Die Lage ist besser geworden. Aber sie ist nicht befriedigend. Im kommunistischen Regime, das hier über 70 Jahre geherrscht hat, war Homosexualität verboten. Informationen gab es nicht. Das ist vielleicht der Grund, warum selbst einige gebildete Menschen bis vor kurzem noch nicht mal wussten, dass es Schwule und Lesben überhaupt auf der Welt gibt. Und auch wenn der Anteil von praktizierenden Muslimen an der Gesamtbevölkerung klein ist, bleibt es in den Köpfen der Menschen verankert, dass Schwul- oder Lesbischsein eine Sünde ist. Meine Familie ist selbst hochgebildet, aber denkt traditionell wie die meisten. Meine Mutter hofft, dass ich einmal heiraten werde.

Woher beziehst du deine Informationen über schwules Leben?

Fuad: Unsere TV-Sender zeigen nur Transgender, die in die Prostitution abgeglitten sind. Die Gesellschaft kennt den Unterschied nicht zwischen Schwulen, Lesben und Transgendern. Wir beziehen unsere Informationen nur aus russischen Zeitungen und Websites. Erst seit wenigen Tagen gibt es auch eine in Aserbaidschan, gay.az.

Timur: Es gibt keine lokale Website. Ich glaube, das ist einer der Gründe, warum schwules Leben hier noch nicht entwickelt ist.

Gibt es schwule Bars, Clubs, Organisationen in Baku?

Fuad: Wir haben nicht einen schwulen Club in Baku. Weil die Polizei Razzien an Orten organisiert, wo sich Schwule treffen. Keine Organisation kümmert sich um die Probleme von Schwulen und Lesben.

Tural: Es gibt eine schwulenfreundliche Bar, wo sie Karaoke singen (finde ich eigentlich ganz schlimm). Und eine schwul-lesbische Organisation, ich weiß allerdings nicht genau, wo sie zusammenkommt. Es gibt es ein paar Cruising Areas, aber man muss sehr vorsichtig sein, weil sie durch die Polizei überwacht werden.

Kamran: Das schwule Leben läuft sehr im "Untergrund" ab. Die Menschen organisieren sich ihre eigenen Partys.

Wenn du ESC-Touristen irgendeinen Rat geben wolltest, wie würde der lauten?

Timur: Auch wenn Schwule und Lesben hier mit vielen Problemen zu kämpfen haben, sind Touristen davon nicht betroffen. Unsere Menschen sind sehr tolerant und gastfreundlich gegenüber Fremden. Es ist üblich, dass sich Männer zur Begrüßung einen Kuss auf die Wange geben. Schwule Touristen können sich also bis zu diesem Punkt sicher fühlen :-)

Tural: Keine Küsse oder ähnliches auf der Straße, bitte! Wenn ihr keinen Ärger mit der Polizei bekommen wollt ...

Fuad: Bitte, übt Druck auf die internationalen Organisationen aus. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie schrecklich schwules Leben hier ist.

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